Hirnkammerflimmern
Mit ihrer Ansicht über die wahren Antriebsgründe menschlicher Entscheidungen hält Maria de Alvear nicht hinterm Berg: Ist schon der Titel ihrer neuen Kammeroper «Colourful Penis» einigermaßen explizit, wird die Spanierin im Beiheft der Uraufführung bei den Dresdner Tagen für zeitgenössische Musik noch deutlicher: Die Sexualität, schreibt sie, sei der mehr oder weniger bewusste Anknüpfungspunkt zwischen der linearen Gedankenwelt und dem im Jetzt lebenden Körper – sprich: die Schaltstelle, die Empfindungen und Gefühle in Entschlüsse umwandelt.
Und um nichts anderes als solch einen Entschlussaugenblick geht es in Alvears knapp einstündiger «Opernereignisstudie»: Ein Soldat trifft im Wald auf eine Bärin und legt sein Gewehr an. Wird er das Tier erschießen? Eine Sekundenentscheidung, die Alvear virtuos von der Vertikalen auf die horizontale Zeitachse eines musikdramatischen Handlungsverlaufs spiegelt: All die Ahnungen, Erinnerungen und erotischen Assoziationen, die in Wirklichkeit gleichzeitig auf verschiedenen Bewusstseinsebenen aktiviert werden, fügt sie als Episoden locker aneinander, lässt die wunderlichen Gestalten des Unterbewusstseins mal ganz konkret, mal nur schemenhaft ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Die Opernhäuser Deutschlands sind mit zunehmenden Herausforderungen und Bedrohungen konfrontiert. In einer Zeit knapper Kassen wächst der Legitimationszwang. Der traditionelle Repertoirebetrieb, festangestellte Ensembles und Orchester, machen die Opernlandschaft Deutschlands zu einer aufwändigen Sache. Weltweit gibt es nichts Vergleichbares. Zunehmend wird Oper...
Der Jubel kannte keine Grenzen. Als im April 1972 an der Bayerischen Staatsoper ein neuer «Rosenkavalier» in der Regie von Otto Schenk herauskam, schrieb Imre Fabian in dieser Zeitschrift: «Die Sensation dieser Premiere hieß Carlos Kleiber» (siehe OW 6/1972). Die Produktion war opulent besetzt: Gwyneth Jones sang die Marschallin, Karl Ridderbusch den Ochs, Lucia...
In den Zeiten, als es noch wenige große Labels gab, deren Platten den Markt inhaltlich bestimmten, musste er es schwer haben: Gianni Raimondi war zwischen New York, Wien und Mailand ein viel gefragter Sänger. Platten gemacht hat er wenige. Das lag zum einen daran, dass seine Stimme zwar (wie geübte Ohren selbst an den Piratenmitschnitten hören können) perfekten...