Ins Herz der Finsternis
Vielleicht lag’s an der Zueignung. Vielleicht hätten Hans Werner Henze und sein Librettist Ernst Schnabel ihr Oratorio volgare e militare nicht dem kurz zuvor ermordeten kubanischen Revolutionsführer Che Guevara widmen sollen.
Vielleicht wäre es genug der politischen (An-)Rede gewesen, sie hätten sich, wie dies jüngst dem österreichischen Schriftsteller Franzobel mit seinem Roman «Das Floß der Medusa» gedanken- und wortmächtig glückte, auf das ins Allgemeine zielende Thema beschränkt: auf die Unfähigkeit des Menschen, seiner animalischen Natur Herr zu werden, die zeitlosen Grenzen des Humanen, kurz: auf das Böse in uns.
So aber kam an diesem 9. Dezember 1968 in Hamburg, was kommen musste inmitten der politisch aufgewühlten Stimmung, mit Vietnamkrieg, Notstandsgesetzgebung und dem Attentat auf Rudi Dutschke: Wo die Kunst allein durch sich selbst sprechen sollte, sprach – befeuert durch hetzerische Artikel in der Springer-Presse – die pure Aggression. Hier provokative Transparente, unsinnige Flugblätter und noch unsinnigere «Ho Chi Minh»-Sprechchöre, dort eine hirnlos-obsessiv prügelnde Polizei. Die Folge: Eskalation, Tumult, Verletzte, Verhaftungen – aber kein einziger Ton Musik. ...
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Opernwelt Mai 2018
Rubrik: Im Focus, Seite 25
von Jürgen Otten
Eine Oper der stetigen Veränderung. Kaum eine Phrase ist wie die andere. Auch wenn sie ähnlich klingt, der Rhythmus weiterläuft, jede enthält kleine, wirkungsvolle neue Impulse. Philip Glass erzählt in «Echnaton» von einem radikalen Veränderer, jenem Pharao, der sich von der unübersichtlichen Vielgötterwelt lossagte und Aton, den Sonnengott, an ihre Stelle setzte....
Glaubt man dem Klappentext, zeigt sich Benjamin Godard in seiner Dante-Oper «auf dem Gipfel melodischer Inspiration und kompositorischer Meisterschaft, in einem Stil, der Gounod erneuert und den Vergleich mit Massenet nicht zu scheuen braucht». Das sah die zeitgenössische Kritik anders. Camille Bellaigue zeterte: «Ihr, die ihr in die Opéra-Comique eintretet, lasst...
«Ich bin von Waberlohe umgeben», ruft Donald Duck in der deutschen Übersetzung eines seiner Comic-Abenteuer. Wieland Wagner soll ja auch mal daran gedacht haben, dem «Ring» eine Disney-Ästhetik zu verpassen, legitimiert wohl vom Großvater und dessen Satz «Kinder, macht Neues». Freilich war Letzterer eigentlich eine Aufforderung an Komponistenkollegen, lieber Neues...
