Haltlos, von Sinnen

Thomas Hampson und Simone Kermes interpretieren Lieder von Richard Strauss

Seiner Natur und Geschichte nach war das deutsche Lied lange Zeit schüchtern, sensibel und kontaktarm, die Kunstform einer in sich verkapselten, nur bedingt gesellschaftsfähigen Innerlichkeit. Doch das änderte sich spätestens mit Richard Strauss, der sich weniger an Schubert, Schumann und Brahms orientierte, sondern vielmehr an den Konzertliedern von Franz Liszt und damit die Gattung vorsätzlich in die große Öffentlichkeit holte.

Man erliegt allerdings einer Täuschung, wenn man hier Glanz und Wonne schon für die Sache selbst nimmt und in seinen Liedern nur die Schlager des Wilhelminismus, das Klangdekor einer deutschen Belle Époque hört. Das sind sie auch, zugleich aber viel mehr. Der Bariton Thomas Hampson, begleitet von Wolfram Rieger, beweist es mit seinem Album «Notturno», der vielleicht nachdenklichsten, düstersten Strauss-Lieder-Platte, die es momentan gibt.

Schon das erste Lied, «Zueignung», klingt anders, als man es gewohnt ist. Weggewischt wird der Überschwang, mit dem man es sonst als Hymne der Dankbarkeit, bereits mit dem Blumenstrauß in der Hand, als Zugabe gesungen hört. Die Anweisungen moderato und piano werden hier sehr ernst genommen. Zwei Worte der ersten Strophe ...

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Opernwelt Mai 2014
Rubrik: Hören, Sehen, Lesen, Seite 33
von Jan Brachmann

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