HALLELUJAH!
Hybris tat noch keinem Herrscher gut. Auch der römische Kaiser Elagabal, der sich selbst für gottähnlich hält und seine Untertanen so lange unterdrückt, quält (und im Falle der stolzen Eritea sogar vergewaltigt), bis der Tyrannenmord, gleichsam als Ultima Ratio, unausweichlich wird, scheitert letztlich an dieser eklatanten Charakterschwäche. Hört man die Musik, mit der Francesco Cavalli 1667 seine Geschichte «einkleidet», dann überrascht doch ein wenig der milde Ton, ja, sogar die Anmut, mit der Cavalli sich des dramatischen Sujets annimmt.
Und selbst in einem Klagegesang wie der Szene «Vanne ò scoglio animato … Servi e soffri» vermag sich Cavalli nicht von seinen ästhetischen Idealen verabschieden. Auch das Leiden, der Schmerz, die Rachegelüste scheinen durch die Klänge selbst besänftigt.
Anna Prohaska bietet der Auftritt die Gelegenheit, ihre bekannten Qualitäten auszuspielen: den weitgespannten, fein phrasierten Atem, ihren in der Höhe irisierenden und leuchtenden Sopran, die singuläre Fähigkeit zur Pointierung sowie die hohe Kunst der Textausdeutung. Jede Nuance ist hier berücksichtigt, rhetorisch untermauert, sauber artikuliert, verklanglicht. Und eingebunden in eine ...
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Opernwelt Mai 2022
Rubrik: Hören, sehen, lesen, Seite 35
von Jürgen Otten
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Im «Einheitlichen Staat» funktioniert alles reibungslos, nach mathematischen Prinzipien eingerichtet vom Großen Wohltäter. Die Menschen tragen Nummern und sind alle gleich. Für ihre «glücklichen Stunden» werden sie einander zugelost, sodass sie sich nicht mehr in Gefühle verstricken müssen. Dem Großen Wohltäter sind sie dafür so dankbar, dass sie ihn regelmäßig...
Der Dichter fabuliert im nächtlich narkotisierten Raum. Und eigentlich will er nur seiner Liebe Ausdruck verleihen. Doch das ist passé, die Angebetete hat ihn zurückgewiesen. Also zwinkert er ihr, mit gespitzter Feder, ein letztes Mal zu: «Sing nicht, du Schöne, sing nicht mehr, / Grusiniens gramerfüllte Lieder. / Sie rufen ferne Ufer her, / Sie wecken altes Leben...
