Gefährliche Liebschaften
Benjamin Brittens todernste, abgründige Kammeroper «The Rape of Lucretia» (Die Schändung der Lukretia) aus dem Jahr 1946 und die ein Jahr später folgende parodistische Komödie «Albert Herring» sind für dieselbe kleine Orchesterbesetzung komponiert. Und doch klingt die Tragödie weitaus intimer, ja spröder als das Satyrspiel. Man möchte meinen, dass sich beide Stücke für eine filmische Version besonders gut eignen, und im Falle der im Studio gedrehten, kargen, gleichwohl enorm spannungsvollen Version der «Lucretia» nach einer Produktion der ENO von 1987 trifft das auch zu.
«Albert Herring» in einer Aufführung des Glyndebourne Festivals von 1985 dagegen ist nicht nur penetrant rotstichig oder farblos (je nachdem, wie man den Fernseher justiert), sondern darüber hinaus hoffnungslos antiquiert inszeniert.
Peter Hall hat sich realistische Räume bauen und ebensolche Kostüme schneidern lassen und führt seine Sänger darin hemmungslos aufgesetzt. Das ermüdet schon nach wenigen Minuten. Und erst, wenn die Handlung sich zu verdichten beginnt, gewinnt auch dieser Film an Spannung: wenn der frisch gekürte Maien-König Schluckauf bekommt, weil man ihm Rum in die Limonade gemischt hat; vor ...
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Keine Frau, spottet Despina, sei bisher an Liebeskummer gestorben. Ob sie wirklich glaube, erwidert darauf Dorabella, dass einen anderen lieben könne, wer einen Guglielmo oder Ferrando hatte. Die Fehlleistung, dass sie erst den Liebhaber ihrer Schwester nennt – ist komponiert. Die in der musikalischen Phrase nach «Guglielmo» stehende Pause übersetzt Vincent...
Johannisnacht – mit dem nervösen Herzschlag der Pauken und unortbarem Summen zeichnet Philippe Boesmans in seiner Kammeroper «Julie» die subtile Spannung dieser Nacht der Lizenzen und der Triebe. Es darf geträumt werden, und Boesmans gönnt der Köchin Christine unterm Holderbaum ein melodisch fortziehendes Sehnsuchtsmotiv, das noch wiederholt durch die Instrumente...
«Wehe der Zeit, die keine Helden hat», klagt Galileos Lieblingsschüler. Und der Meister flüstert ihm zu: «Wehe der Zeit, die Helden nötig hat». Dann wendet er sich zu Tisch, weil er, der von der Inquisition überwachte, verachtete und gebrochene Wissenschaftler, immer noch gern isst. So endet Michael Jarrells Oper «Galilée», ein Werk, im Auftrag des Genfer Grand...