Fliehende Zeit
Thornton Wilder veröffentlichte 1931 seinen Einakter zum Fest: «The Long Christmas Dinner». Darin bringt er ein Weihnachtsmenü auf den Tisch, das, streng genommen, neunzig Jahre dauert. Hier werden Handlungen, Ereignisse, Stimmungen eines knappen Jahrhunderts mosaikartig zusammengetragen; während die Ahnen auf der einen Seite die Bühne verlassen, kommen ihre Nachfahren von der anderen hereinspaziert. Dank dieser klugen Montagetechnik erleben wir die Jahre im Eiltempo.
Paul Hindemith lernte dieses Werk gegen Ende der fünfziger Jahre kennen, fand es aber in der vorliegenden Form für eine Vertonung ungeeignet. Er wandte sich an den Autor und bat ihn um eine operntaugliche Bearbeitung. Wilder stimmte zu. Hindemith entwickelte daraufhin einen Fahrplan, eine Strukturskizze, in der er festlegte, wo er sich Platz für Duette oder Terzette wünschte bzw. wo er Textpassagen für überflüssig hielt. Nachdem Wilder diesen Wunschzettel umgesetzt hatte, schrieb Hindemith in nur drei Monaten die komplette Partitur.
Es hat mehr als vierzig Jahre gedauert, bis die erste Einspielung dieser Dreiviertelstundenoper auf Tonträger vorgelegt werden konnte. Wieder einmal hat sich ein Orchester des ...
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Es gibt Opern, die sind richtige Opern. Leidenschaft, Verrat, Folter, Wahnsinn, Totschlag, die große Schlacht, zärtliches Atemholen bei der stillen, lyrischen Liebe, sanftes, ergreifendes Sterben. Tschaikowskys «Mazeppa» ist so eine Oper. Der Hintergrund, nach einem Poem Puschkins, ist historisch. Der ukrainische Kosakenführer Mazeppa, schon ein alter Mann,...
Eine komplette Wagner-Oper aufzunehmen, wäre in den dreißiger Jahren technisch durchaus schon möglich gewesen, doch kaum ein Musikfreund hätte das fertige Produkt auch bezahlen können. Aus gutem Grund also hat sich Electrola im Falle der «Meistersinger», die 1938 nicht in einem trockenen Studio, sondern auf der Bühne der Semperoper eingespielt wurden, auf den...
Es gibt kein Glück auf Erden. Aber zumindest einen Trost (in) der Musik. Das ist die gemeinsame Botschaft der beiden Mozart-Premieren, die Hannovers Staatsoper pünktlich zum Jubiläum präsentiert. Zwar handelt es sich bei «Così fan tutte» und bei «Lucio Silla» um zwei Opern, die ein auskomponiertes Glücksfinale haben, doch das heißt nicht viel in unserer Zeit.
Bei...