Fingerspitzengefühle
Herr Wieler, in seinem neuesten Buch mit dem Titel «Vita contemplativa» beklagt der Philosoph Byung-Chul Han die Übereifrigkeit der kapitalistischen Produktionsgesellschaft. Wörtlich heißt es gleich zu Beginn seines umfangreichen Essays: «Die Untätigkeit ist eine Glanzform der menschlichen Existenz. Heute ist sie zu einer Leerform der Tätigkeit verblasst.» Ist etwas dran an dieser Diagnose?
Es ist kein Geheimnis, dass jede alte Zeit die neue immer als noch schneller empfindet.
Beschleunigung gehört wesentlich zur Menschheit, und das trifft nicht nur auf Verkehrsmittel zu. Als ich 2011 als Intendant an die Staatsoper Stuttgart ging, tat ich es auch mit dem konkreten Anliegen, zwar nicht das Theater an sich, aber doch den Opernbetrieb zu entschleunigen. Nicht dass wir weniger gearbeitet hätten, ganz im Gegenteil. Aber unser Ziel war es, dass der «Durchlauferhitzer» Oper weniger hochtourig läuft. Und das verbindet sich mit dem, was Byung-Chul Han gemeint haben könnte. Sie kennen den Satz «Arbeit macht Arbeit». Irgendwann einmal ist diese Arbeit so kleinteilig und so wenig verbunden mit den einzelnen Gruppen oder Bereichen, die arbeiten sollen, dass man gar nicht mehr weiß, wofür man ...
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Opernwelt Februar 2023
Rubrik: Interview, Seite 42
von Jürgen Otten
Das deutsche Wort «Sehnsucht» sei in andere Sprachen kaum übersetzbar, schreibt die kanadische Sängerin und Dirigentin Barbara Hannigan in ihrem Vorspann zur gleichnamigen CD mit Werken von Berg und Mahler. Sie erklärt es ihrem internationalen Publikum als «ein Verlangen nach etwas, das nicht sein kann», als «einen Verlust, der nur ein endloses Sehnen hinterlässt»....
JUBILARE
Stuart Burrows kam am 7. Februar 1933 im walisischen Cilfynydd zur Welt. 1963 gab er sein Operndebüt als Ismail in Verdis «Nabucco» in Cardiff. Dort kamen die Rollen von Rodolfo («La bohème»), Macduff(«Macbeth»), Herzog («Rigoletto») und Ernesto («Don Pasquale») hinzu. Bald wechselte er ans Royal Opera House in London, wo er weitere große lyrische Partien...
Mit «Mitridate, Re di Ponto» schuf der 14-jährige Wolfgang Amadé Mozart sein erstes Meisterwerk – und gleichzeitig diejenige seiner Opern, die sich den Ansprüchen einer zeitgemäßen Inszenierung am sperrigsten entzieht. «Mitridate» ist eine späte Opera seria, zugleich ein Spielfeld für den kompositorischen Ehrgeiz des jungen Komponisten: Immerhin galt es bei der...