Fingerspitzengefühle
Herr Wieler, in seinem neuesten Buch mit dem Titel «Vita contemplativa» beklagt der Philosoph Byung-Chul Han die Übereifrigkeit der kapitalistischen Produktionsgesellschaft. Wörtlich heißt es gleich zu Beginn seines umfangreichen Essays: «Die Untätigkeit ist eine Glanzform der menschlichen Existenz. Heute ist sie zu einer Leerform der Tätigkeit verblasst.» Ist etwas dran an dieser Diagnose?
Es ist kein Geheimnis, dass jede alte Zeit die neue immer als noch schneller empfindet.
Beschleunigung gehört wesentlich zur Menschheit, und das trifft nicht nur auf Verkehrsmittel zu. Als ich 2011 als Intendant an die Staatsoper Stuttgart ging, tat ich es auch mit dem konkreten Anliegen, zwar nicht das Theater an sich, aber doch den Opernbetrieb zu entschleunigen. Nicht dass wir weniger gearbeitet hätten, ganz im Gegenteil. Aber unser Ziel war es, dass der «Durchlauferhitzer» Oper weniger hochtourig läuft. Und das verbindet sich mit dem, was Byung-Chul Han gemeint haben könnte. Sie kennen den Satz «Arbeit macht Arbeit». Irgendwann einmal ist diese Arbeit so kleinteilig und so wenig verbunden mit den einzelnen Gruppen oder Bereichen, die arbeiten sollen, dass man gar nicht mehr weiß, wofür man ...
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Opernwelt Februar 2023
Rubrik: Interview, Seite 42
von Jürgen Otten
Boris Juchananow, ein Schüler von Anatolij Wassiljew, Adept des antipsychologischen, mythisch-poetischen Theaters und gegenwärtig einer der wichtigsten Theoretiker der russischen Theaterwissenschaft, hält sein Elektrotheater Stanislawski in Betrieb, obwohl ein eisiger, kriegsbedingter Wind durch Moskau weht. In seinem Theater gab es immer wenig Publizistisches und...
arte
05.02. – 17.30 Uhr Ode an die Nacht Das Klassikfestival La Folle Journée der bretonischen Stadt Nantes steht 2023 ganz im Zeichen der Nacht in der Musik. Neben Mozarts «kleiner Nachtmusik» und der «Barcarolle» aus Offenbachs «Les contes d’Hoffmann» stehen Werke von Bizet, Chopin, Boccherini, Dvořák und Strauss auf dem Programm des Abschlusskonzerts, das ARTE...
Selbst den alten Wagner hat es schon erwischt, wenn auch fast ein halbes Jahrhundert nach Nikolaus Harnoncourts Revolution in der Vorklassik: «Historisch informiert», diese (inhaltlich sehr dehnbare) Deutungspraxis, dringt immer weiter vor ins 19. Jahrhundert. Davon weitgehend unbeleckt, abgesehen von Vorstößen etwa eines Giovanni Antonini, ist der Belcanto....