Fahle Gefühle
Als John Christie 1934 zum ersten Glyndebourne Festival auf seinen Landsitz in den Sussex Downs lud, standen Mozarts «Figaro» und «Così» auf dem Programm. Ein Jahr später kamen «Entführung» und «Zauberflöte» hinzu. Den ersten «Don Giovanni» dirigierte der von den Nazis aus Dresden vertriebene Fritz Busch, im NS-Olympia-Jahr 1936. Regie führte damals ein anderer deutscher Emigrant: Carl Ebert. Seitdem sind sechs Produktionen dieser «Oper aller Opern» (E.T.A. Hoffmann) in Glyndebourne über die Bühne gegangen.
Zuletzt hatten sich Andrew Davis und Graham Vick vor zehn Jahren darum bemüht – und das in Champagner-Picknick-Laune versammelte Publikum damals unter anderem mit einem Pferdekadaver, einem Bademantel-Komtur und einem Macho-Wüstling aus dem Kinobilderbuch aufgeschreckt (siehe OW 9-10/2000). Man durfte also gespannt sein, wie das neue Team Vladimir Jurowski und Jonathan Kent eine Interpretations- und Rezeptionsgeschichte fortspinnen würde, der in Glyndebourne nach Busch/Ebert die Dirigenten John Pritchard, Bernard Haitink und Simon Rattle und die Regisseure Günther Rennert, Peter Hall und Deborah Warner ihren Stempel aufdrückten.
Um es vorweg zu sagen: Die interessanteste (Denk-) ...
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Opernwelt September/Oktober 2010
Rubrik: Festivals II / Panorama, Seite 60
von Albrecht Thiemann
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Schon 1986 meinte Wolfgang Rihm in einem Essay, man könne Nietzsche nicht «vertonen». Man könne überhaupt nichts vertonen, am allerwenigsten Nietzsche. «Aber Anlass zu Musik kann ein Text schon geben, vor allem ein frei rhythmischer, gedichteter; vor allem ein dichterischer Text von Nietzsche.» Mehrfach begegnet uns Nietzsche in Rihms Œuvre: in der dritten...
Am Anfang glaubt man Jenufas Mühle zu hören. Nur dass es keine Wassermühle ist, die in Déodat de Séveracs Kurzoper «Le Cœur du moulin – Das Herz der Mühle» (1901-1908) klappert, sondern eine der charakteristischen Windmühlen im südfranzösischen Languedoc. Der Mistral streicht sanft durch die Segel und schwillt dann mächtig an. Auch Janáceks Pantheismus ist in...
