Es lebe der Diskurs!
Alles auf einmal wollen. Alles ausprobieren. Warum nicht? Leben besteht daraus: schauen, was geht, mal vor, mal zurück. Erst recht auf der Opernbühne des Als-ob-Lebens. Im Speziellen: an der Oper Halle. Die Dramaturgin kündigt an, die «Aida» sei auch ein Experiment. Gefühle sollen in Wallungen geraten. Wohlige Vorfreude breitet sich aus, zumal hier, wo Florian Lutz sich mit seinem Team daran macht, den leicht bekömmlichen Operngenuss zu Grabe zu tragen.
Das Publikum wird mit einem Video eingestimmt. Es verdeutlicht das Oberthema, das Regisseur Michael v.
zur Mühlen in Verdis Oper liest: Ausgrenzen der Fremden, Nicht-Gleichen, sprich: Aktualität. Wie sehen verschwommene Bilder eines Busses: «Reisegenuss» steht, in Versalien, auf seiner Anzeige. Ein Hohn, wir kennen die Bilder der Geflüchteten, die mit dem Bus in Clausnitz, Deutschland, ankommen und vom rechten Mob brutal angebrüllt werden. Dazu Stimmengemurmel: «Mein Mitmensch, mein Bruder ... eigenes Leben in Angriff nehmen ...».
Pappkulissen werden heruntergelassen, viel Gold, Palmen, altägyptische Exotik, so wie man sich das vorstellt – und wovon im Libretto die Rede ist. So sah die Bühne 1880 in Paris aus, bei der ersten ...
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Opernwelt März 2018
Rubrik: Panorama, Seite 43
von Nora Sophie Kienast
Ältere Plattenfreaks denken gerne an die magischen Momente, da der Diamant des Tonarms sich mit leisem Knirschen auf den Rand der Vinyl-Platte senkte und wenige Augenblicke später einen Klang beschwor, der runder, wärmer und farbiger schien als alles, was die Silberscheiben heute zu bieten vermögen. Kein Wunder, dass Vinyl wieder im Kommen scheint. Doch etablierte...
Eine Frau. Wir kennen sie nicht. Und lernen sie auch nicht kennen, obwohl wir ihr eindreiviertel Stunden lang zuschauen, wie sie stirbt. Ihr Name ist L. Eine Abkürzung. L. hat eingewilligt, sich filmen zu lassen auf ihrem letzten Weg. Ihr Sterben ist real, ein Video fängt es, in quälender Slow Motion, ein. Aber was bedeutet ihr Tod für ein Kunstwerk wie dieses? Der...
Erst allmählich wird die Bühne zum Ort, gibt die Weite der Natur das gesellschaftlich Festumrissene frei. Die Freiburger Szene zu Leoš Janáčeks «Katja Kabanowa» stammt von Alfred Peter und sagt mehr als tausend Worte. Wie aus der Tiefe des Raumes herangezoomt, mit der Lupe betrachtet: zwei Zimmer wie Puppenstuben, Gefängnisse überwiegend bigotter Tradition – Enge,...