Eruptive Erstfassung
Mit den klassischen Formen wie Sinfonie und Sonate oder gar der Oper hatte die Nachkriegs-Avantgarde, die sich seit 1946 alle zwei Jahre bei den Darmstädter Ferienkursen traf, nichts im Sinn. Genau um sie aber rang der grüblerische Solitär Bernd Alois Zimmermann, der sich damit zwischen alle Stühle setzte. Stil war ihm zwar, wie er einmal bekannte, «nicht Nebensache, aber sekundär.» Seine von dunklem, ja geradezu endzeitlichem Pathos erfüllte «Sinfonie in einem Satz» erlebte bei ihrer Kölner Uraufführung 1952 einen schneidenden Misserfolg.
Er könne, rechtfertigte er sich in einem Brief an den Dirigenten Hans Rosbaud, es nicht als seine Schuld ansehen, «dass wir in einer Zeit leben, die vom apokalyptischen Sturm geschüttelt wird, und der fast alle geistigen Grundlagen fehlen, die einer ruhigen ästhetischen Evolution dienlich sind.» In der Neufassung von 1953 hat er das neo-expressionistische Werk stilistisch geglättet und technisch vereinfacht. In dieser Liveaufnahme erklingt die wesentlich eruptivere Erstfassung mit dem dissonanten Orgelschluss.
Zimmermann forderte die Zeitgenossen aber nicht nur mit seiner Erinnerung an Krieg und Vernichtung, sondern auch ästhetisch heraus und ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Opernwelt März 2022
Rubrik: Hören, Sehen, Lesen, Seite 27
von Uwe Schweikert
Opernkritiker zu sein, das bedeutet manches Mal, mit dem eigenen Zynismus klarkommen zu müssen; mindestens aber mit dem Zynismus, der irgendwie in der Luft liegt, wohnt man einer Premiere an einem «großen» Hause bei. Diese Mischung aus Voreingenommenheit, Müdigkeit und vorauseilender Schadenfreude – wir kennen sie alle. Seien wir ehrlich.
Dieser Zynismus ist an so...
Was für ein poetisches Bild. Eine Frau sitzt versonnen an einer Orgel, die Rechte sanft auf die Tasten gelegt, sie scheint darüber nachzudenken, wie der Ton, den sie gleich anschlägt, klingen möge, was er auslösen, bewirken könnte in all seiner Flüchtigkeit, Resonanz und (möglichen) Kontingenz. Oder ob nicht vielleicht nicht dieser einzige Ton imstande wäre, die...
Eine etwa 3 x 3 Meter große Gefängniszelle. Ein sprödes Klappbett. An die Wand gekettet. Dicke Gitterstäbe zwischen den beiden Menschen. Diese beiden Menschen: Das können in Béla Bartóks 1911 komponierter, 1918 in Budapest uraufgeführter Oper «Herzog Blaubarts Burg» nur der Herzog selbst und seine ihm zugetane Judith sein. Denn mehr Bühnenpersonal gibt es hier...