Erstickt
Müll, Müll, überall Müll. Sperrgut, Dreck, Schrott, Waschmaschinen, zerfetzte Sofas, ein Supermarkteinkaufswagen, mittendrin ein mächtiger toter Baum auf der Bühne des Nationaltheaters Mannheim. Lemurenhafte Gestalten, einige tragen Gasmasken, streifen herum, suchen Nahrung. Verheerungen eines Kriegs. Der Dreißigjährige im 17. Jahrhundert war das Trauma der Deutschen vor dem Zweitem Weltkrieg und der Shoah. In manchen Landstrichen, etwa in Süddeutschland, überlebte nur ein Drittel der Bevölkerung.
Jakob Christoffel von Grimmelshausens Roman «Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch», eine pikareske Chronik dieser Entmenschlichung, lieferte 1934 die Idee zu Karl Amadeus Hartmanns Oper «Simplicius Simplicissimus». Der Komponist selbst gab den Hinweis auf die Parallele des barocken Stoffs zu seiner Zeit, zur Machtübernahme der Nazis, zu anbrechender Gewaltherrschaft. Kurz zuvor war Hartmanns erste Symphonie entstanden, Worte von Walt Whitman verwendend: «Ich sitze und schaue aus auf alle Plagen der Welt und auf alle Bedrängnis und Schmach …» Der «Simplicius» entstand für die Schublade, das wusste Hartmann. Trotzdem schrieb er das Bekenntniswerk – und ging in die innere Emigration. ...
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Opernwelt August 2021
Rubrik: Panorama, Seite 46
von Götz Thieme
Etwas ist anders als sonst. Weit und breit kein Orchester in Sicht, auch den Chor, der in Verdis «Traviata» die Rolle der vergnügungssüchtig-degenerierten Gesellschaft spielt, sucht man vergebens. Nur drei Menschen befinden sich im hochgefahrenen Graben des Hildesheimer Theaters: Studienleiter Panagiotis Papadopoulos, umgeben von einem Notenpult samt Partitur sowie...
Im großen Repertoire blieb «Notre Dame» stets eine Randerscheinung. Umso verdienstvoller, dass die vom Theater St. Gallen traditionell zum Spielzeitende durchgeführten Festspiele die 1903 abgeschlossene Oper von Franz Schmidt nach dem Roman von Victor Hugo ans Licht zogen. Tatsächlich konnte das Festival, dessen Herzstück eine auf dem Platz vor der St. Galler...
Natürlich ist das Ganze grandioser Kitsch. An der Elle dramaturgischer Logik oder psychologischer Plausibilität sollte man die Story der keuschen Maid nicht messen, die im Goldrausch-Westen Amerikas unter lauter zwielichtigen Kerlen tapfer ihre Frau steht, um am Ende einen zugelaufenen Desperado direkt vom Galgen ins Eheglück zu führen. Schon das um die vorletzte...
