Editorial
Was sich leicht singt, ist schwer zu schreiben. Es gab und gibt immer nur wenige Komponisten, die sich mit der menschlichen Stimme als Instrument befassen. Dabei geht es weniger um Fragen des Umfangs oder der Dynamik als um die Balance der Lagen, um physische Spannung und Entspannung, um das Verhältnis von Klang und Emotion. Für Stimmen komponieren bedeutet mehr, als eine diastematische Linie erfinden, die zu einem bestimmten Text, Orchestersatz oder Harmonieverlauf passt. Dass man sich mit Bachs Arien oder Haydns «Schöpfung» einsingen kann, ist alles andere als selbstverständlich.
Salieri oder Beethoven haben sich zeitlebens schwer getan mit der Stimme. Mozart und Schubert begriffen früh, aber keineswegs von Anfang an, wie man sie behandelt, benutzt und beschenkt. Wolfgang Rihm hatte vor Jahren auf einem Basler Kongress die Größe, ganz offen auszusprechen: Zeitgenössische Komponisten schlagen sich mit so vielen anderen ästhetischen Problemen herum, dass die Eigengesetzlichkeit der Stimme kaum zu ihrem Recht kommt. Natürlich hat Rihm das für sich längst korrigiert. Bei den Salzburger Festspielen 2010 werden wir bei seinem «Dionysos»-Projekt die neuesten Ergebnisse hören.
Die ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Opernwelt April 2010
Rubrik: Editorial April 2010, Seite 1
von Stephan Mösch/Albrecht Thiemann
Es war eine glückliche Entscheidung, Andrea Marcon für Alte-Musik-Projekte an die Oper Frankfurt zu binden. Denn Marcon ist nicht nur ein hervorragender Cembalist (und Leiter eines renommierten Spezialensembles), sondern auch Lehrer an der Schola Cantorum Basiliensis, also ein erfahrener Pädagoge, der Orchestermusikern beibringen kann, was barocke Musik jenseits...
Die «Freischütz»-Version mit vertonten Sprechtexten, die Hector Berlioz 1841, den Gesetzen der Pariser Grand Opéra gehorchend, schrieb, litt unter Richard Wagners Verdikt, sie sei «entstellend und langweilig». Vereinzelte Versuche, sie im deutschen Sprachraum zu etablieren – zuletzt 1997 in Dortmund – fanden eine eher ungnädige Aufnahme.
Die aktuelle in Trier legt...
Dies ist der vierte Mitschnitt von Carl Orffs hybrider Vertonung der sophokleischen «Antigonae» in der deutschen Nachdichtung Friedrich Hölderlins. (Die anderen stammen von der Salzburger Uraufführung 1949, der Münchner Erstaufführung 1951 und der Stuttgarter Inszenierung Wieland Wagners 1956). Er entstand 1958 im Herkulessaal der Münchner Residenz mit Chor und...