Editorial 3/23
Der 5. März 1953 ist in die Geschichtsbücher als jener Tag eingegangen, an dem zwei Menschen das Zeitliche segneten, deren Wirken zwar eng miteinander verknüpft war, von denen aber der eine so prominent war, dass man das Dahinscheiden das anderen darüber beinahe vergaß. Mit Josef Wissarionowitsch Stalin starb einer der übelsten Diktatoren des 20. Jahrhunderts, mit Sergej Prokofjew einer der bedeutenden Komponisten dieses Jahrhunderts der Extreme.
An ihrem Verhältnis, das man (leider) ganz undialektisch als eines von Herr und Knecht charakterisieren darf, zeigte sich beispielhaft, auf welch zynische Weise politische Willkür die Kunst und deren Ausübung manipulieren kann. Und mochte Prokofjew (dessen Werke 70 Jahre nach seinem Tod nunmehr GEMA–gebührenfrei «verfügbar» sind) 1936 auch freiwillig in die Sowjetunion zurückgekehrt sein, das Fallbeil der Autokratie schwebte dennoch, wenngleich nicht mit derselben scharfen Klinge wie bei Schostakowitsch, über seinem (mehr oder minder angepasst-geneigten) Haupt.
Geschichte wiederholt sich nicht, sie dauert an. Dass aber das Verhältnis von Musik und Politik nach wie vor hochgradig prekär ist, zeigt nun auch die Causa Wiesbaden. Die ...
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Opernwelt März 2023
Rubrik: Editorial, Seite 1
von Jürgen Otten
Das ganze Drama ist im Grunde erzählt, noch bevor viele Worte gefallen sind. Der Schmerz, die Sehnsucht (welche nur diejenigen Menschenkinder wirklich kennen, die wissen, welches Leiden mit ihr einherzugehen vermag), der Dualismus aus Liebestäuschung und -ent täuschung, die tiefsitzende Verzweiflung, das einsickernde Gift der Rache – alles ist bereits im «Prelude»...
Jacques Offenbach widerlegte Theodor W. Adorno bereits vier Jahrzehnte vor dessen Geburt: Schließlich beweisen seine Operetten, dass es sehr wohl ein «richtiges Leben im falschen» gibt. Zumal das «Pariser Leben» ja nur so vor Täuschungen durch Masken, Kostümierungen und Dekorationen strotzt, die im provinzadligen dänischen Ehepaar von Gondremark (Heike Wittlieb und...
Als 1992 die «Entdeckung» Amerikas durch Columbus 1492 zelebriert wurde, kam Spaniens König Juan Carlos nicht umhin, diese Großtat vollmundig zu preisen: Erst die «hispanidad» habe der «Neuen Welt» mit der spanischen Sprache, dem Katholizismus und der eurozentrischen Kultur, der barocken Architektur wahre Würde verliehen. Doch in Lateinamerika hielt sich die...