Dramaturgische Feinmechanik
Eugène Scribe war der erfolgreichste Librettist des 19. Jahrhunderts. In der Theatergeschichte ist sein Einfluss allein mit demjenigen Metastasios, des Präzeptors der Opera seria im 18. Jahrhundert, zu vergleichen. Nicht nur Meyerbeers große Opern, Donizettis «Dom Sébastien» oder Verdis «Les Vêpres siciliennes» entstammen seiner Werkstatt, sondern auch – als mehr oder weniger wörtliche Übersetzungen aus dem Französischen – Donizettis «L’elisir d’amore» und Verdis «Un ballo in maschera».
Sogar Richard Wagner folgte dem Pariser Modell, als er seinen fünfaktigen «Rienzi» verfasste.
Schon zu seinen Lebzeiten spottete man über die gleichsam industriellen Fertigungsmethoden von Scribe und seinen Mitarbeitern. Und doch erheischt die eminente theatralische Wirksamkeit und der präzise kalkulierte «suspense» in seinen fast 120 Opern Respekt. Auch deshalb ist es von großem Interesse, einen Blick in seine Werkstatt zu werfen: Zu den meisten seiner Stücke hat Scribe Entwürfe und verworfene Fassungen hinterlassen. Die Forschung hat diese Manuskripte bisher nur zu einem sehr kleinen Teil ausgewertet, abgeschreckt von der extrem schwer zu entziffernden Miniaturschrift Scribes. So können die Mühen ...
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Opernwelt August 2015
Rubrik: Hören, Sehen, Lesen, Seite 30
von Anselm Gerhard
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