Diener der Musik

Wer Carlo Maria Giulini nie auf einer Probe erlebt hat, kann das per DVD nachholen. Bei Arthaus ist ein Mitschnitt seiner Arbeit an Bruckners ­Neunter mit dem Orchester des SWR erschienen. Man sieht den Maestro in seiner Spätphase. Dreiundachtzig ist er, ganz Grand­seigneur natürlich, groß, schlank, der Musik inbrünstig hingegeben. Was die Probentechnik betrifft, trennt er klar zwischen Ansagen (meist vorweg) und «Musizieren». Die Musik selbst soll sprechen, auch auf der Probe. Dann findet sich alles Weitere.

In Bezug auf seine Zuhörer dachte Giulini ganz ähnlich: «Ich finde, die Leute sollten auf die Musik hören. Meinungen über die Interpretation sind nicht so wichtig.»
Darin war sich Giulini mit seinem Vorbild Toscanini einig. Ansonsten freilich blieb er ein Maestro, wie er unitalienischer nicht sein konnte. Kein despotischer Pultstar, der seine Truppe mit Feldherrengesten zum Rapport beordert wie Riccardo Muti; aber auch keiner mit ­einem tickenden Uhrwerk im Leib wie Toscanini. Keine wutschnaubenden Temperamentsausbrüche unterbrachen seine Proben. Wenn überhaupt, dann erinnerte Giulini an die Versenkungswut des Pianisten Arturo Benedetti Michel­angeli.
Auch bei seinem Repertoire ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt August 2005
Rubrik: Magazin, Seite 22
von Stephan Mösch

Vergriffen
Weitere Beiträge
Intrigenspiel

Unter den Veranstaltungen der zehntägigen Händel-Festspiele bleibt die jährliche Inszenierung einer Händeloper, die das heimische Opernhaus traditionsgemäß beisteuert, künstlerisches Zentrum. Es gibt kaum noch ein Bühnenwerk des Barockmeisters, das nicht schon einmal in seiner Geburtsstadt aufgeführt wurde. Für das Niveau des Festspielorchesters, das auch nach der...

Sozialdrama und Gleichnis

Hundert Jahre hat Leos Janáceks «Jenufa» inzwischen auf dem Buckel. Aber die Musik ist so unverbraucht und neu, als wäre sie gestern entstanden. Zu diesem Eindruck trug der erstmals am Frankfurter Opernpult stehende Hannoveraner GMD Shao-Chia Lü entscheidend bei. Klangschärfungen und harmonische Reibungen, deklamatorisch aufgeraute Passagen und instrumentaler...

Im Labyrinth der Gefühle

Von einem «Labyrinth der Gefühle» ist die Rede im ­Programmheft zu «Turandot», der letzten Opern­produk­tion des Pfalztheaters in der ausgelaufenen Spielzeit. Eine Deutung, die vermutlich auch als Schlüsselgedanke zu Urs Häberlis Inszenierung des Werks oder zumindest zu Thomas Dörflers Bühnenbild verstanden werden darf. Dessen Hauptelement bildet eine abstrakte...