Die Nachtseiten der Oper

Im postmodernen Denken glimmt die Fackel der Vernunft nur noch auf Sparflamme. Die dunklen, destruktiven Züge der menschlichen Existenz scheinen uns näher als Glaube, Liebe, Hoffnung. Das Krisenbe­wusstsein der Gegenwart steht nun auch in Salzburg auf der Tagesordnung – programmatisch festgezurrt vom neuen Intendanten Jürgen Flimm. Unter anderem mit Haydns selten gespielter Zauberoper «Armida», Tschaikowskys abgründigem Gesellschaftspanorama «Eugen Onegin» und Webers unheim­lichem «Freischütz». Um die Binsenweisheit, dass zwischen theoretischer Erkenntnis und musikalisch-szenischer Praxis oft ein tiefer Graben klafft, kam man freilich auch auf dem Parcours zwischen Felsenreitschule und Großem Festspielhaus nicht herum. Mehr zum Ertrag der ersten drei Salzburger Opernpremieren auf den folgenden Seiten.

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Das Programm der Salzburger Festspiele firmiert in diesem Jahr unter dem Titel «Die Nachtseite der Vernunft». Nach dem hellen Mozart-Reigen des vergangenen Sommers tauchte man in die dunk­len Abgründe menschlicher Exis­tenz. Zu dieser gehören auch Trivialitäten, zum Beispiel Absagen. Die Salzburger Festspiele, erstmals geleitet von Jürgen Flimm, erlebten eine unerwartete In­szenierung der Stars: Vesselina Kasarova, Rolando Villazón, Elina Garanca, Neil Shicoff und zuletzt Anna Netrebko kündigten aus verschiedenen Gründen ihre Mitwirkung auf. Das Gejammere war groß.

Es fehlte aber auch nicht an Schadenfreude: Das Star-Gehabe, unter Gerard Mortier zurückgedrängt, kam in den letzten Jahren in Salzburg wieder zum Zuge und geht selbst ruhigen Temperamenten auf die Nerven.
Glücklicherweise gibt es auch Sänger, die zwar nicht unentwegt in den Medien auftauchen, dafür aber ebenso gut, oft sogar besser singen als die vielgehypten Kollegen und offenbar auch weniger anfällig sind. Einer dieser Sänger heißt Michael Schade. Nach seinem imponierenden Titus im Vorjahr sang er jetzt in Haydns «Armida» den zwischen Pflicht und Liebe schwankenden Kreuzritter Rinaldo. Wieder beeindruckte seine ...

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Opernwelt September/Oktober 2007
Rubrik: Festspiele I, Seite 18
von Gerhard Rohde

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