Die humane Klage
Renata Tebaldi, die 82-jährig in ihrem Haus in San Marino gestorben ist, verkörperte das ästhetische Ideal der veristischen Primadonna in vollendeter Ausprägung.
Der Verismo war in der italienischen Oper in den ersten drei Jahrzehnten nach dem Krieg, in denen sich Renata Tebaldis Glanzkarriere entwickelte, noch keineswegs passé und blieb für die Art etwa eines Mario del Monaco oder Franco Corelli, eines Gino Bechi und teilweise auch Giuseppe di Stefano verbindlich: Seine Gesangsästhetik räumte zum einen dem Reichtum der vokalen Mittel, der Klangpracht und der ebenmäßigen Schönheit der Stimme, zum anderen der blutvollen, direkten, naturalistischen Theatralik des Vortrags Vorrang ein – Forderungen, die Renata Tebaldi in höchstem Maß erfüllte. Ihre Stimme zählte zu den feinsten, die in den letzten hundert Jahren zu hören waren. Ein klarer, hell getönter, außergewöhnlich obertonreicher, fülliger, dabei überhaupt nicht schwerfälliger, in der mühelos ansprechenden Höhe strahlender und makellos geführter Sopran von beträchtlicher Durchschlagskraft. Der lyrische Klangzauber ihrer ausladend expressiven Legatolinie ist von seltener Eindringlichkeit. Wer beispielsweise «La forza del destino» mit Renata Tebaldi (live oder vom Tonträger) erlebt, im zweiten Akt die erlesenen vokalen und auch musikalischen Nuancen in Leonoras großer Szene und im Finale («La vergine degl’angeli») sowie im Schlussbild in der «Pace»-Arie wahrgenommen hat, wird das ohne weiteres nachvollziehen. Erinnert sei dabei an ihre 1953-er Aufnahme unter Dimitri Mitropoulos. ...
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