Die Gedanken sind frei
Was für Zeiten, als Wunder noch blau waren und man sich auf sie verlassen konnte. Richard Wagner hat in seiner Erläuterung zum «Lohengrin»-Vorspiel von einem «blauen Himmelsäther» gesprochen, von darin schwebenden Engeln, die den Gral tragen. Enkel Wieland hat dann viel später ein Konzept aus der Farbe gemacht: «Lohengrin» als Inbegriff romantischer Sehnsucht, der Chor als Gemeinschaft von Wundergläubigen, ein blaues, oratorisches Heilsgeschehen. Seitdem ist viel mit dem Schwanenritter passiert. Blau war dabei tabu, Romantik meist auch.
Um in Bayreuth zu bleiben: Götz Friedrich und Günther Uecker entwarfen eine Nagelprobe in Schwarz und Weiß. Werner Herzog holte das Märchen zurück. Keith Warner konnte sich nicht entscheiden zwischen Fantasy und Realismus. So unterschiedlich die Produktionen ausfielen, eines blieb: der Schwanenritter als Kraft von außen, als Projektion, als auratischer Fremder.
Mit all dem ist jetzt Schluss. Hans Neuenfels, mit neunundsechzig ein später Hügel-Debütant, kehrt die gewohnten Perspektiven um. Lohengrin ist bei ihm der einzig Normale. Statt Brustpanzer genügt ein weißes Hemd. Ein adretter, schlanker, dunkel gelockter Jüngling, dessen Wunderbares und ...
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Opernwelt September/Oktober 2010
Rubrik: Festspiele I, Seite 12
von Stephan Mösch, Gerhard Persché
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