Der Wille zur Macht
Es ist nicht leicht, ein Zar zu sein. Vor allem dann nicht, wenn das eigene Volk in einem ziemlich heruntergekommenen Betonschacht mit Kronleuchter lebt. Das mit nahezu identischen blonden Scheitelfrisuren ausgestattete Kollektiv, vom neuen Chordirektor des Nationaltheaters Mannheim, Alistair Lilley, hervorragend einstudiert, lässt sich leicht manipulieren und erfleht Boris Godunow als gottgesegneten Herrscher förmlich herbei.
Wie eine zu groß geratene Schar infantiler Wesen hockt die Menschenkinderschar mit baumelnden Beinen auf den Seitenbänken und blättert in Bilderbüchern der gloriosen Vergangenheit. Letztlich ist «Boris Godunow» eine Oper dieses Kollektivs – wenngleich der Kom -ponist sein Werk noch nicht als «musikalisches Volksdrama» bezeichnet hat; das sollte er erst bei der späteren «Chowanschtschina» tun. Hier, im Pfalzbau Ludwigshafen, wird die infantile Masse unterdrückt, um am Ende in weißen, blutbespritzten Kitteln zu einer visionslosen Revolution anzutreten, deren Gewalt der puren Verzweiflung entspringt. Der herbeigesehnte Zar wird als riesiges Gesicht noch vor den ersten Takten der einleitenden Fagott-Linie als Vorhang-Projektion sichtbar. In seinen dunklen ...
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Opernwelt März 2024
Rubrik: Im Focus, Seite 16
von Bernd Künzig
Benjamin Brittens grandioser Opernerstling «Peter Grimes» gehört zu den wenigen Werken des modernen Musiktheaters, die Eingang ins Repertoire auch kleinerer Bühnen gefunden haben. Dabei stellt das Stück um den tragischen Outcast, der von den bigotten Bewohnern eines englischen Fischerdorfs in den Tod getrieben wird, allein schon aufgrund des groß -besetzten...
Die Musik, die ich suche, ist mit dem Raum geschrieben: Sie ist in keinem Raum gleich, sondern arbeitet mit ihm», schrieb Luigi Nono mitten in der Entstehung seines «Prometeo», der im September 1984 als einziges Werk der Biennale Musica in Venedig uraufgeführt werden sollte. Das historische Unternehmen war Ergebnis einer außergewöhnlichen kollektiven künstlerischen...
arte
02.03. – 05.05 Uhr
Bedřich Smetana: Dalibor
Die Prager Oper zeigt Smetanas Vertonung der Sage um den böhmischen Ritter Dalibor, der im Gefängnis so herzzerreißend Geige spielen lernt, dass sich täglich Menschen um den Gefängnisturm scharen, um ihm zuzuhören. Den Abschluss der Opernspielzeit des Prager Nationaltheaters im März 2020 dirigierte Jaroslav Kyzlink,...