Der Rest ist Schweigen
«Nijinskys Tagebuch für zwei Sänger, zwei Schauspieler, zwei Tänzer und Instrumente» nennt Detlev Glanert seine Auftragskomposition für das Theater Aachen: ein kaum kaschierter Hinweis darauf, dass ihn das Schicksal des historischen Nijinsky weniger interessiert. Auch nicht seine herausragende Stellung innerhalb der Ballets Russes des Serge Diaghilew. Es ist ausschließlich der «Textcorpus», eben das besagte Tagebuch, aus dem das hundertminütige Opus schöpft, ein «lebendiges, wenn auch multiples Wesen», wie der Komponist in einem Vorwort selbst meint.
«Neben Berichten aus dem Alltag stehen dort Erinnerungen, Zukunftsvisionen, Gedichte, Wortspielereien und der Zerfall der Sprache selbst; neben konkreten und banalen Erlebnissen findet sich Metaphysisches und Naives. Das Faszinierende dieser Tagebücher», die der legendäre Ballerino zwischen 19. Januar und 4. März 1919 in St. Moritz verfasste, «ist ihr Protokollcharakter der Schizophrenie, als Kommentar schon im Augenblick der Niederschrift».
Noch bevor Glanert überhaupt diesen Moment in Musik setzen kann, lässt der Regisseur Ludger Engels eine Feder übers Papier kratzen. Und die dem Geräusch inkorporierte Schreibbewegung ist es denn ...
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