Der Kuss der Spinnenfrau
Die Heilige ist nackt. Splitterfasernackt. Mit dem Rücken zu uns, embryotisch gekrümmt, liegt Maddalena (Randi Lund) an der Bühnenrampe, Schutz suchend, wo nur spitze Schuhe sind. Mehrfach, fast obsessiv, tritt ihr ein blondgewellter Mann in hellblauem Anzug und verspiegelter Sonnenbrille mit ungeminderter Wucht in den Schoß, selbst vor der Apostelin der Apostel hat dieser Fiesling keinen Respekt. Ganz im Gegenteil. Auch sie ist nur stumpfe Materie für ihn, Objekt jenes machtlüsternen Sadismus, mit dem er über Rom herrscht und alle, die dort leben, Kinder, Künstler, Knappen.
Ein schockierendes Bild, nicht das einzige. Wieder einmal sucht Calixto Bieito nach den Extremen eines Werks; in «Tosca» liegen sie für ihn in jenen Bereichen der menschlichen Existenz, wo das Böse regiert, hemmungslos, hartherzig, hinterhältig. Scarpia ist nur ihr prominentester Vertreter – Teil eines politischen Systems, das seine Glieder in zwei Gruppen aufteilt: in diejenigen, die zu machiavellistischen Monstern mutieren, und in Opfer. Dazwischen gibt es nur die Kunst. Aber dazu später.
Am Anfang, vor der Musik, steht die gesellschaftliche Realität. Und die ist, auf Susanne Gschwenders leerer Bühne, ...
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