Der geteilte Himmel
Die Musik, so hat es, überaus sinnfällig, Claude Debussy einmal notiert, sei für das «nicht Auszudrückende» geschaffen, also im Kern für das, was man mit Worten kaum oder gar nicht mehr sagen könne. Diese Sentenz war dem Moralphilosophen und Musikologen Vladimir Jankélévitch ein tieferes und ausgiebigeres Nachdenken wert, mit dem Ergebnis, dass er ein Buch schrieb, welches Debussys Bonmot noch verfeinerte.
Das Mysterium der Musik, so Jankélévitch, sei nicht das Unsagbare, sondern das Unaussprechliche – ein, um es mit Bourdieu zu sagen, feiner Unterschied. Unsagbar, so Jankélévitch, sei nur die schwarze Nacht des Todes (dessen unfassbares Wesen ihn so sehr faszinierte, dass er auch darüber ein fulminantes, markerschütternd-kluges Werk verfasste), «weil sie undurchdringliches Dunkel und trostloses Nichtsein» sei; das Unaussprechliche hingegen sei nicht auszudrücken, «weil es hierüber unermesslich, endlos viel zu sagen» gebe, und weil es durch seine anregenden und inspirierenden Eigenschaften wie eine Faszination wirke. Den damit zusammenhängenden Unterschied zwischen dem Wort und der Musik habe schon der Dichter Heinrich Heine erkannt: Wo es nämlich an Worten fehle, beginne die ...
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Opernwelt Jahrbuch 2022
Rubrik: Bilanz des Jahres, Seite 74
von Olga Myschkina
Natürlich konnte dies kein Interview werden. Weil Kirill Petrenko es bekanntlich ablehnt, sich dem Duett mit einer Journalistin oder einem Journalisten auszusetzen. Dabei folgt er gar nicht dem Diktum Wolfgang Rihms, Musik sei «überhaupt nicht besprechbar». Rihm selbst verstößt ja ständig und wortgewaltig gegen dieses selbst erklärte Naturgesetz, und auch ein...
Wichtige Aufführungen der Saison
Wenn Peter Konwitschny sich in Dortmund den ganzen «Ring» vornimmt, dann scheinen die Zweifel derjenigen, die «zu viel Wagner» in diesen Zeiten ausgemacht haben, wie von Siegfrieds Blasebalg weggepustet. Konwitschny konzentriert sich in seiner meisterhaften Lesart vor allem auf Wotan als einen «Gottvater», der machtvoll drängt – und...
Seltsam, dieser Beginn. Vertraut man leichtgläubig und naiv auf die drei vorgezeichneten Kreuze und liest man den Text, käme als Tonart eigentlich nur A-Dur in Frage – und ein optimistischer Gestus. «Im wunderschönen Monat Mai», das klingt nach ungehemmter, frühlingshafter Vorfreude. Doch schon die Spiel- und Singanweisung «Langsam, zart» deutet vorsichtig an, dass...