Chips in der Klosterzelle
Eigentlich ist diese Partitur eine komponierte Frechheit. Wenn Isabella, die weibliche Hauptfigur, sich aufregt («Allegro molto feroce»), dann soll sie innerhalb kürzester Zeit mehr als zwanzigmal das hohe a singen, dazu noch das hohe b und das hohe h – ohne dass die Stimme sich dazwischen entspannen könnte, ohne melodisch zwingende Phrasen. Nicht einmal ein Zwitscherstimmchen könnte das unbeschadet überstehen. Isabella aber soll dramatisch sein.
Eine Brünnhilde, die über die Agilität der Frau Fluth aus Nicolais «Lustigen Weibern von Windsor» verfügt und außerdem noch den lyrischen Schmelz der «Figaro»-Gräfin hat. Eine Killer-Partie. Den beiden Tenören des Stückes geht es nicht viel besser. Der eine soll stimmlich ein jugendlicher Held sein, aber zugleich Belcanto-Flexibilität mitbringen. Der andere wird permanent mit der Übergangslage gequält. Der junge Wagner hatte wirklich wenig Ahnung davon, wie man für Stimmen komponiert, als er sein «Liebesverbot» schrieb. Die Musik klingt melodiös wie ihre italienischen und französischen Vorbilder, aber das Idiom ist nur ungefähr getroffen. Mit den kurz vorher geschriebenen «Feen» hat es erstaunlich wenig zu tun. Wagner probierte sich aus – ...
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Opernwelt April 2016
Rubrik: Im Focus, Seite 6
von Stephan Mösch
Als Musikhistoriker freue ich mich über jede Ausgrabung, Neugier gehört zum Beruf. Die Nagelprobe auf den Brettern erlaubt es, eine Oper ganz anders kennenzulernen als durch das Lesen der Noten.
Da man aber unmöglich alles ausgraben kann, stellt sich – wie überall im Leben – die Frage der Prioritäten. Die Phrase von «zu Unrecht» vergessenen Werken hilft dabei nicht...
Schnell, geradezu unweigerlich fühlt man sich durch den «Spieler» in die Sphäre einer Theatralik des Absurden versetzt. Noch über den klinisch-pathologischen Befund einer alle Fibern der Existenz erfassenden Sucht hinaus wird die Universalisierung des «Spiels» in diesem von Sergej Prokofjew selbst in Librettoform gebrachten Dostojewski-Stoff zur Metapher für eine...
Das Wort «Sanierung» hat mittlerweile den Beigeschmack der Katastrophe – dafür sorgen Beispiele wie die Kölner Oper oder die Berliner Lindenoper. Jetzt muss auch das Grand Théâtre de Génève hergerichtet werden. Intendant Tobias Richter hat im Laufe seiner Karriere bereits eine Baustelle nahezu unbeschadet überstanden. Als Chef der Deutschen Oper am Rhein löste er...