Blinde Winkel
Es ist das alte Lied. Als die Salzburger Festspiele im August 2000 Kaija Saariahos erste Oper auf die Bühne brachten, kochte eine kapitale Kontroverse hoch. Als esoterischen Klangkitsch kanzelten nicht wenige Beobachter «L’Amour de loin» ab, als kunstgewerbliches Machwerk über den Topos der verbotenen Liebe in mittelalterlicher Troubadour-Lyrik, das wie eine spektral verbrämte, sich selbst genügende Messe für zivilisationsmüde New-Age-Eskapisten daherkomme.
Akustische Wellness, weltflüchtig, prätentiös, marktgängig – so lauteten auch die Einwände nach der Amsterdamer Uraufführung der nunmehr fünften Arbeit, die die in Paris lebende finnische Komponistin für das Musiktheater geschrieben hat: «Only the Sound Remains», zwei kurze Stücke für Countertenor, Bassbariton, Tänzerin, vier Choristen, sieben Musiker und Live-Elektronik.
Während «L’Amour de loin» um das gegen höfische Normen aufbegehrende Traumbild einer unerreichbaren Geliebten kreist, entzündete sich Saariahos filigrane Fantasie diesmal an Stoffen aus dem japanischen Nô-Kanon. «Tsunemasa» behandelt die Begegnung eines Zen-Meisters (Gyôkei) mit dem Geist des hoch geschätzten Lautenspielers Tsunemasa, der in einer Schlacht ...
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Opernwelt Mai 2016
Rubrik: Im Focus, Seite 22
von Albrecht Thiemann
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