Beim Wort genommen
Es ist, um das Wesen der Gattung zu erspähen, hilfreich, eine kleine Reise zu unternehmen in jene ferne Zeit, die zumal in deutschen Landen gemeinhin unter dem Rubrum «Die Wilden Zwanziger» Eingang in die Geschichte gefunden hat. Wild, das ist für die Mehrzahl derer, die von dieser Zeit schwärmen, ein nachgerade romantisch verfügtes Synonym für das Ausschweifend-Anarchistische – wobei es weit mehr den sexuellen Kontext bemüht als die politischen, gesellschaftlichen Gegebenheiten.
Zugegeben eine verständliche Ansicht: Natürlich spricht man lieber über die Liebe als über das Leben.
So auch in der Operette. Dass sie, nicht zuletzt in Wien und Berlin, den seinerzeit führenden Kunststädten, eine Blütezeit erlebte, verdankt sich wohl auch der Tatsache, dass man die «leichte Muse» dringend benötigte, um das Schwere besser verdauen zu können. Denn schwer war diese Zeit zwischen zwei Weltkriegen allerdings; existenziell. Die Inflation preschte mit Feuereifer voran, der «Schwarze Freitag» war in der Ferne schon sichtbar wie jener Orkan, der auf Mahagonny zusteuerte. Der nicht eben unbeträchtliche Unterschied: Mahagonny wurde verschont.
Das ist, in groben Zügen, der Kontext, in dem Franz ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Bevor das Musical seinen kommerziellen Siegeszug antrat, war die beliebteste und einträglichste Form des Musiktheaters zweifellos die Operette. Freilich lockte das Genre – was gern übersehen wird – nicht bloß an der schönen blauen Donau. Während die Österreicher der k. u. k.-Monarchie ihre Sträuße feierten und Paris sich über den beißenden Witz des deutschen...
Die Substanz einer Oper ist das Sichtbare, nicht das Erzählbare», stellte der Musikwissenschaftler Carl Dahlhaus einmal kategorisch fest. Dem Opernliebhaber fallen freilich auf Anhieb etliche Szenen ein, in denen recht hemmungslos erzählt wird: Lohengrins Gralserzählung, Wotans großer Monolog im zweiten Akt der «Walküre», die Mägdeerzählung des Ochs auf Lerchenau...
Im Programmbuch die geballte philosophische und philologische Kompetenz. Natürlich ein Stück des klugen Herrn Niccolò Machiavelli, aus seiner Hauptschrift «Il Principe»: von der Grausamkeit und der Milde und ob es besser sei, geliebt als gefürchtet zu werden. Damit ist das zentrale Thema der Oper bezeichnet. Dann Elias Canetti, Teile aus dem Kapitel «Die Macht der...