Aufgeschminkt
So viel Hype war nie.
Ein mit Silikon vollgepumptes Pin-up-Girl als Hauptfigur am Royal Opera House? Four-letter words, bis der Kronleuchter klingelt? Sex, Drugs & Rock’n’Roll, dass die Wände wackeln? Eine Hähnchenbraterei, ein Striplokal und ein geiler Greis auf der königlichen Bühne? Als bekannt wurde, dass Mark-Anthony Turnage, der 1960 geborene rough boy unter Großbritanniens Komponisten, für Covent Garden eine Oper über das kurze Leben des amerikanischen Playmates Anna Nicole Smith schreiben würde, war, nicht nur in der englischen Boulevardpresse, die Hölle los – als hätte es Brecht/Weills, «Mahagonny»-Bilderbogen nie gegeben. ROH-Chef Tony Hall und seine scheidende Operndirektorin Elaine Padmore hatten die Gunst der Stunde sofort gewittert – und eine PR-Kampagne abgesegnet, die den chirurgisch fabrizierten Marilyn-Monroe-Appeal der 2007 im Alter von 39 Jahren verstorbenen Texanerin als visuellen Botenstoff einsetzte. Mit durchschlagender Wirkung: Als Turnage noch an den Noten des Zwei-Stunden-Opus und Richard Thomas an den Slang-Reimen des Librettos feilte, hatte «Anna Nicole» bereits alle Blicke auf sich gezogen. Auch weil sich Eva-Maria Westbroek, die Darstellerin der Titelrolle, schon vor dem «Event» mit halb entblößtem Busen und laszivem Lolita-Lächeln als Animierdame hatte einspannen lassen. ...
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Opernwelt April 2011
Rubrik: Im Focus, Seite 6
von Albrecht Thiemann
Längst hat die Musikwissenschaft das Musiktheater der Gegenwart als lohnendes Forschungsobjekt entdeckt. Das umfangreiche Buch von Claudia di Luzio ist schon die zweite Dissertation zu den Bühnenwerken von Luciano Berio (nach Ute Brüdermann, «Das Musiktheater von Luciano Berio», Frankfurt/M., Peter Lang 2007). Beide Autorinnen haben wesentlich dieselben Quellen...
Der Wald steht schwarz und schweiget keineswegs. Kleine Lichtschneisen durchzittern sein dichtes Laub, geben uns ein Gefühl für seine prächtigen Baumkronen. Aus dem Geäst kommen Fanfaren und Stimmen. Menschen? Naturwesen eher, bemoost am ganzen Körper oder mit Blättern überzogen. Oder doch Soldaten mit Grasbüscheln auf den Helmen? Schwer zu sehen, schwer zu sagen....
Das Schicksal des «Deutschen Miserere» von Bertolt Brecht und Paul Dessau ist denkwürdig. Umso mehr, da es erst jetzt, sieben Jahrzehnte nach seiner Entstehung, auf einer Opernbühne erscheint. Das packende Stück war als Oratorium gedacht, entstand während des Zweiten Weltkriegs im US-amerikanischen Exil, wurde aber erst 1966 in der DDR konzertant aufgeführt, 1989...