Auf der Höhe der Zeit
Erstaunlich, dass dieser «Don Quijote» nach seiner erfolgreichen Premiere in Spanien fünf Jahre gebraucht hat, um erstmals auf einer deutschen Opernbühne aufzutauchen. Das Werk hat nämlich alles, um zu einem – allerdings anspruchsvollen – Repertoirestück zu werden. Der Zugriff Halffters und seines Librettisten Andrés Amorós auf den alten Stoff ist bestimmt von kreativer Originalität: kein Nacherzählen der bekannten Abenteuer, sondern ein punktuelles Herausgreifen einzelner Episoden sowie deren Verschränkung mit der Vita des Autors.
Das Leiden des Cervantes an der Hervorbringung des «Mythos Don Quijote». Das Schicksal des schöpferischen Menschen, der zu Grunde gehen muss, während die von ihm ersonnene Gestalt ewiges Leben erhält.
Das alles eingefasst in eine persönlich geprägte, facettenreiche Tonsprache, die sich bruitistischer Klangballungen ebenso bedient wie verinnerlichter Instrumentalkantilenen. Deren Faktur auf der Höhe der Zeit ist und sich doch auch historischer Anleihen aus der spanischen Renaissancemusik bedient – nicht als Zitate, sondern in ganz eigenständiger, aneignender Verarbeitung. Eine Partitur und ein Werk voller großer, erregender Momente, dazu von eminenter ...
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Das Cottbuser Staatstheater hat sich unlängst einen Deus ex machina zugelegt – er hört auf den Namen Tamino. Gleich nach der Ouvertüre fällt er, ein Bruchpilot mit ledernem Fliegerkäppi, vom glühbirnenflammenden Bühnenhimmel, um eine in ramponierten Beziehungskisten erstarrte Kommune aufzumischen, die man eher bei Beckett oder in der Rocky Horror Picture Show als...
Sowohl im Schauspiel als auch in der Oper verwendet Klaus Michael Grüber gern Ironie. Das ist bei «Boris Godunow» in Brüssel nicht anders. Am Schluss der Oper, wenn in die selten gespielte Szene im Wald von Kromy der falsche Zar Dmitri platzt, kann man ein Lachen kaum unterdrücken: Dmitri trägt den blechernen Spielzeug-Harnisch eines Ritters und einen ebenso...