Angst- und Wunschtraumzauber

Wenn die Spatzen nicht lügen, die von den Dächern des Festspielhauses pfeifen, wird in Bayreuth derzeit bis 2013 geplant. Das ist das Jahr von Wagners zweihundertstem Geburtstag. Und da wäre fraglos ein neuer «Ring» fällig. In der Regie von Katharina Wagner? Selten wurde eine Bayreuth-Premiere so hysterisch erwartet und so erregt diskutiert wie die neuen «Meistersinger». Die Urenkelin stellt eingefahrene Regeln in Frage und hält dem enormen Druck, der auf ihr lastete, stand. Die Aufführung kalauert und motzt, aber sie hat auch eigene, eigensinnige und sogar große Momente. Nur bräuchte sie ­einen stärkeren Dirigenten. Mit Berichten aus Bayreuth beginnt der erste Festspielteil dieses Heftes. Außerdem zum Thema Wagner: Knappertsbuschs letzter «Parsifal» auf CD, zweierlei Initiativen für den Nachwuchs und die neuesten Bücher in der Kritik.

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Angst- und Wunschtraumzauber

Wie Katharina Wagner und Robert Sollich bei den «Meistersingern» neue Hörperspektiven schaffen

chuhe sind normalerweise nicht das, worauf es bei einer Opernaufführung ankommt. Jedenfalls nicht auf der Bühne. Von den Choristen hat jeder zwei, drei Paar in der Garderobe. Das reicht aus, um vierhundert Jahre Operngeschichte zu durchqueren. Auch bei Solis­ten lässt sich dieser Punkt der Ausstattung meist schnell abhaken. In den neuen Bayreuther «Meistersingern» ist das anders.

Zwar trägt ganz Nürnberg dieselben Schuhe, aber Hans Sachs, der Schuster, kommt barfuß zur Singschul’. Offenbar sucht er noch. Ein kettenrauchender Skeptiker, der vor allem eines will: etwas anderes als die anderen. Die Reclam-Heftchen jedenfalls, mit denen seine Meisterkollegen gern herumwedeln, scheinen ihm noch keine Kunst zu garantieren. Walther von Stolzing, ganz Schlingensief’scher Wildfang, schlendert als action-painter mit weißen Turnschuhen durch die muffige Kunstakademie des ersten Aktes, von deren Wänden gipserne Geistesgrößen grüßen. Später, in Sachs’ schniekem Penthouse, ändert sich das. Da schmeißt Beckmesser seine dunk­len Latschen weg und schlüpft ins bequeme und ...

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Opernwelt September/Oktober 2007
Rubrik: Festspiele I, Seite 4
von Stephan Mösch, Christoph Vratz

Vergriffen
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