An der Baumgrenze
Während der ersten Takte seiner Canzonetta schnüffelt Don Giovanni an einer langstieligen roten Rose, trägt sie ins Parkett und baut sich vor einer älteren Dame in der ersten Reihe auf. Ihr ist der Anfang der ersten Strophe gewidmet. Während das Publikum hinten zu glucksen beginnt und der plötzlich Umworbenen Röte ins Gesicht steigt, ist der große Verführer schon in der nächsten Reihe, zieht einer breit gebauten Mademoiselle besten Alters das Sommerpelzchen von der Schulter und riecht daran.
Dazu stöhnt er so lüstern durch die Nase, dass weibliche Stimmen von den umliegenden Plätzen in Entzückensschreie ausbrechen. Die zweite Strophe reicht noch für den Kniefall vor einer alleinsitzenden Asiatin, dann wirft er die Rose verachtungsvoll in die Menge und entschwindet, bevor der Applaus einsetzen kann.
Bryn Terfel ist dieser Don Giovanni – auch ohne Kostüm und Maske. Ein Hüne von Gestalt, dessen Pianissimi sich zärtlich ins Ohr schmeicheln. Eine Wotanstimme, die unforciert fließt. Ein Kraftpaket als Clown. Ein Clown als Dämon. Niemand weiß, warum der Bass-Bariton aus Wales jetzt seinen letzten Don Giovanni gesungen hat. Eigentlich, sollte man meinen, ist Mozart doch (auch) für ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Herbstlaub, Asche, Staub. Acht betongraue Himmelstürme ragen in den Schnürboden. Bleischwer ist die Luft, von den Klagelauten aus den Büchern Jesaja und Jeremia und vom Gehämmer der Trümmerfrauen. Alles schmeckt hier nach Apokalypse, nach Endzeit – die Sprache, die Geräusche, die Musik, der Raum. «Am Anfang» hat Anselm Kiefer seine Installation für die Pariser...
Was die Frage der schnellen «Parsifal»-Tempi betrifft, liegt Gustav Kuhn sicher richtig. Wagner wollte einen durchweg flüssigen Duktus für sein Bühnenweihfestspiel. Kein Pathos, keine bis an die Grenzen der Spielbarkeit (Atem der Bläser!) getriebenes Stillstehen der Zeit. Insofern ist die Initiative aus Erl zu begrüßen: «Parsifal» auf nur drei CDs. Trotzdem fragt...
Mit einer Aufführung von Donizettis Opera buffa «Viva, la mamma!», in der die Sitten und Unsitten des Theaterbetriebs ins Visier genommen werden, beendeten die ersten sechs Stipendiaten der Liz Mohn Kultur- und Musikstiftung erfolgreich ihre Ausbildung am Opernstudio der Staatsoper Unter den Linden. Die beiden israelischen Sopranistinnen Gal James und Enas...