Alter Meister
Die Unterwelt des Bewusstseins, ihr rätselhaft Abgründiges und Monströses, hat Harrison Birtwistle schon immer fasziniert. Zumal in den Bühnenwerken findet die Vorliebe des 73-jährigen Doyens der britischen Komponistenszene beredten Ausdruck. Gleich der (vor vier Jahrzehnten in Aldeburgh uraufgeführte) Erstling steckte ein Terrain ab, das auf der Nachtseite der Vernunft liegt: «Punch and Judy».
Ein Einakter, der kühn auf der Grenze zwischen schmerzender Tragik und schriller Komik laviert, mit jener populären Puppenspielfigur im Mittelpunkt, die – halb Kasperle, halb Killer – vor allem in fliegenden Theaterbuden an Britanniens Seepromenaden ihr schaurig unterhaltsames Unwesen treibt. In «The Second Mrs. Kong» (1994) griff Birtwistle einen klassischen Topos der Kino-Folklore auf: das Drama vom Affen-Toren, der sich in eine Menschenfrau verliebt. Die Legende von Orpheus und Eurydike, von Beginn an ein zentrales Motiv der Operngeschichte, zieht sich gar wie ein roter Faden durchs weitläufige Œuvre. «The Mask of Orpheus» (1986) dekonstruierte den antiken Plot, um Bedingungen und Potenzial eines ästhetisch avancierten Musiktheaters auf der Höhe unserer Zeit zu erproben. «Gawain» (1991), ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Man muss nicht – wie Jean-Pierre Ponnelle in seinem auf DVD dokumentierten Münchner «Cardillac» von 1985 – den filmischen Expressionismus als Konzept wählen, um die Zwanzigerjahre-Vertonung der E. T. A.-Hoffmann-Erzählung von einem Goldschmied, der sich seine geliebten Geschmeide mittels Mord von den Käufern zurückholt, schlüssig zu erzählen. Und gewiss hätte sich...
Ganz New York hat mitgehört. Und mitgezählt. Achtzehn hohe Cs, am nächsten Tag schon als Tondokument auf der Website der «New York Times» anklickbar. Wie Juan Diego Flórez in Donizettis «Fille du Régiment» gleich zweimal hintereinander den Stratosphärenknüller «Ah! Mes amis» zum Besten gab, ist natürlich als Musikzirkusakt Extraklasse, allerdings schon aus Mailand...
Der Tod hat ein seltsames Antlitz, das Antlitz des Egalitären, des Vermeintlichen; alles nur halb so schlimm, nicht wirklich ernst gemeint. Eben so lächeln auch Floria Tosca, die Künstlerin, und Scarpia, der Polizeichef von Machiavellis Gnaden, in diesem entscheidenden Augenblick, der, und das rundet die Szene zur Farce, um einiges später eintritt als in der...