Alles nur zum Schein
Ihre Exzellenz war sichtlich not amused. Eines Kaisers und Königs unwürdig sei das, was sie da am Abend des 6. September 1791 auf der Bühne des Prager Nationaltheaters gesehen habe, schlimmer noch, «una porcheria tedesca», eine deutsche Sauerei. Weit gefehlt, möchte man der strengen Katholikin Maria Ludovica posthum zuraunen. «La clemenza di Tito» auf ein Libretto von Caterino Mazzolà ist nicht mehr und nicht weniger als ein tiefgründiges, überaus subtiles, reifes Meisterwerk.
Obschon: auch ein Paradox, das die für die Opera seria konstitutive Pathosspannung zwischen Drohen und Flehen, zwischen Ira und Supplicazione, zwischen drohendem Souverän und flehendem Untertan aufhebt. Wenn man so will: eine Krönungsoper mit Kerben.
Und genau so interpretiert Magdeburgs GMD Anna Skryleva dieses vermeintlich Dur-helle Stück vom Cembalo aus (und das sehr impulsiv): mit feinem Gespür für die Störungen innerhalb der scheinaufklärerischen Selbstgewissheit. Die 19 hellwachen Musiker ihres Orchesters setzen die Vorgaben der russischen Dirigentin präzise und pointiert um. Wo Mozart das Melos durch herbe Akzente aufbricht, ist auch das ansonsten getragene Spiel der Magdeburgischen Philharmonie ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Opernwelt November 2020
Rubrik: Im Focus, Seite 12
von Jürgen Otten
Die English National Opera hat ihr Lager vorübergehend am Alexandra Palace aufgeschlagen. Auf dem Ostparkplatz, um genau zu sein, gleich hinter dem traditionsreichen Veranstaltungsort, gibt’s aktuell eine Drive-in-«Bohème». 120 Autos werden so sorgsam platziert wie auf einer Autofähre. Wer keins hat, kann einen Leerwagen mieten oder mit dem Fahrrad kommen. Die...
Frau de Beer, Sie sind seit einigen Jahren eine der gefragtesten Regisseurinnen der jüngeren Generation. Zittern Sie dennoch zuweilen und stellen sich die Frage: «Wollen die mich noch?»
Ich zittere immer. Auch dann, wenn ich Anfragen für die nächsten zwölf Monate habe, aber für das Jahr danach noch gar nichts.
Ist das ein Grundgefühl auch während der Arbeit?
Nein,...
«Ein Verbrechen, das einem die Krone bringt, ist keines.» Fast beiläufig lässt Lottario, der Enkel Karls des Großen, im Rezitativ diese Bemerkung fallen. Ein Credo – nicht nur seines, sondern dieser ganzen schrecklichen Familie, überhaupt all jener, deren Macht- und Besitzgeilheit sie über Leichen steigen lässt. Der Erste verröchelt schon am Boden, während George...