Allem Anfang wohnt ein Zauber inne
Zwischen dem Bastille-Sturm und dem Ende der Napoleonischen Kriege watete Europa in Blut. Kein Wunder, dass auf den Bühnen die Geister der Toten zurückkehrten und schuldbeladene Gewissen in Angst-Psychosen trieben. Rossinis 14. Oper, «Sigismondo», Ende 1814 entstanden und nun zur Eröffnung des 31. Rossini-Opera-Festivals in Pesaro erst zum zweiten Mal nach 1827 wieder gespielt, mutet ihrem Titelhelden nicht weniger als fünf Wahnsinnsszenen zu. Wozu noch drei Wahnsinnsszenen für den Bösewicht Ladislao kommen.
Damiano Michieletto verlegte die Handlung in ein russisches Irrenhaus anno 1910, von Tschechows Abendlicht mild übergoldet. Das gab ihm Gelegenheit, detailversessen mit seinen Statisten an klinischen Fallstudien zu feilen, störte aber Rossinis Musik und ging am Thema vorbei. «Sigismondo» referiert nicht die Geschichte der Psychiatrie, sondern erzählt von Schuld und wie Menschen damit umgehen.
Allenthalben verwickelte sich die Inszenierung in Widersprüche, gegen die Foppas Libretto ein Muster an Durchdachtheit ist. Ein Beispiel: Nachdem sich Leutnant Ladislao die Krankenberichte seines Königs von Prof. Dr. Zenovito hat vorlegen lassen, ist er plötzlich bass erstaunt, in diesem ...
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Opernwelt September/Oktober 2010
Rubrik: Festivals II / Panorama, Seite 64
von Boris Kehrmann
Wieder mal nach Bad Wildbad. Wieder mal das erste Viertel Weißherbst auf der Terrasse des «Bären», der seit einer Weile auch «Hotel Rossini» heißt. Wie auch nicht? Der Maestro suchte sich, 1856 hier logierend, im Tal der Enz schließlich von seinen Gebrechen zu kurieren. Wieder also bei «Rossini in Wildbad», dem kleinen, aber feinen Festival im Nordschwarzwald, dem...
Flügelhelm gerade gerückt, Speer herausgestreckt, dann energisch aufs Opfer zugeschritten: «Hojotoho», entfährt es der aufstampfenden Aminta. Sir Morosus zuckt zusammen. Was natürlich alles nicht in der Partitur steht. Ebenso wenig wie Amintas sieben Monate währende Schwangerschaft. Doch eine vorgeblich Schüchterne, die auch noch anderes in die fingierte Ehe...
Vivaldis «Juditha triumphans» und Verdis «Attila» als Teile eines zusammenhängenden Opernabends zu präsentieren, der (mit kurzen Unterbrechungen) von 18 Uhr bis Mitternacht währt, mag zunächst nach einem Wagnis klingen. Doch auf den zweiten Blick finden sich in den Sujets der Stücke so viele Parallelen, dass die Paarung durchaus Sinn macht. So geht es hier wie dort...