Opern-Schredderer

Paradigmenwechsel im Musiktheater? David Marton verweigert die (musikalische) Geschlossenheit der Werke – zuletzt mit einem «Odysseus»-Abend nach Monteverdi an der Berliner Schaubühne

Opernwelt - Logo

Das letzte Opern-Tabu hat einen Namen: David Marton. An der Treue zum Notentext nämlich, an der Form der Werke, hat selbst die vom sogenannten Regietheater revolutionierte Oper bislang nicht gerüttelt. Marton schon.

Selbst bei der Länge der Werke tendiert die Gegenwart, die zugleich szenisch immer stärker dekonstruiert, zu gesteigerter Nibelungentreue zum Original. Striche werden eher wieder aufgemacht, um der Gestalt des Werkes und womöglich dem Willen des Komponisten noch näher zu kommen.

Paradox, aber wahr: Was auf der Bühne an «Werktreue» offensiv verweigert wird, das übererfüllen wir im Graben umso bereitwilliger. Die Kehrseite des Regietheaters ist die Heiligsprechung der Musik in Gestalt der allein seligmachenden Partitur.

So ist es kein Zufall, dass der bislang einzige Regisseur, der nicht nur szenisch die Handlungsabläufe reformuliert, sondern auch musikalisch Kleinholz macht, zwar ausnehmend oft an Schauspielhäusern Opern inszeniert hat. Die Musiktheater selbst aber trauen sich an diesen Satansbraten nicht heran. David Marton, geboren 1975 in Budapest, ist der musikalische Opern-Schredderer schlechthin. Als solcher wurde der Ex-Assistent von Frank Castorf und Christoph ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt März 2011
Rubrik: Magazin, Seite 70
von Kai Luehrs-Kaiser

Vergriffen
Weitere Beiträge
Der Clown als Tiefenpsychologe

Vor bald 20 Jahren verwandelte Jean Nouvel die Lyoner Oper in einen hypermodernen Kult(ur)ort. Parkett, Balkon oder Rang erreicht man mittels Rolltreppen, die konsequent eingesetzte (damalige) Modefarbe Schwarz lässt eine existenzialistische Atmosphäre entstehen. Als Kontrast wölbt sich über allem eine riesige Glaskuppel. Vor dem Opernhaus trifft sich Lyons...

Wüste im Herzen

Schlafwandlerin der Liebe ist Violetta nicht. Keine «Seele, die sich im Jenseits den Schlaf aus den Augen reibt», wie Alwa von Lulu schwärmt. Man mag derlei Gedankenspiele pflegen, weil Marlis Petersen 2003 mit der Titelfigur in Peter Konwitschnys Hamburger Inszenierung von Alban Bergs Oper ihren Durchbruch schaffte. Und weil sie nun in Graz erstmals die Traviata...

Man trifft sich in Paris

Am Anfang der Operngeschichte stand die Idee eines Schauspiels, in dem die Worte nicht gesprochen, sondern gesungen werden.1 Die Formeln, mit denen die ersten Opernkomponisten das aus dem Sprechen abgeleitete Singen charakterisierten, heben die Vermittlung zwischen beiden Formen menschlicher Mitteilung hervor: Jacopo Peri etwa teilt mit, dass er in seiner...