Der kalkulierende Zweifler
Es wäre ja so leicht, den Allegro-Molto-Teil der «Don Giovanni»-Ouvertüre vorzubereiten, meinte Peter Gülke auf dem jüngsten Symposion im Berliner Institut für Musikforschung. Ein dezenter Auftakt am Ende des einleitenden Andante, schlagtechnisch kein Problem. Genau das machte Furtwängler aber nicht. Er riskierte mit dem Allegro einen Neuanfang, beließ damit dem Andante Würde, Schwere und Autonomie. Überhaupt hob Gülke in seinem Vortrag die Risikofreudigkeit von Furtwänglers Schlag hervor: etwa die Art, rhythmisches Innenleben der Musik zu verlebendigen.
Dergleichen könne nur entstehen, wenn die Dirgiertechnik dem Orchester Raum gebe, statt zu diktieren. Es sei schwer probierbar, gehöre zur «Intimsphäre der Musik». Genau auf die setzte Furtwängler, jenseits aller schlagtechnischen Perfektion. Bezeichnend, dass er noch nach zwanzigjähriger Dirigierpraxis auf die Frage nach der Funktion der linken Hand ins Grübeln kam: Er hatte sich einfach nie Gedanken darüber gemacht.
Das Berliner Symposion widmete sich weder dem Homo politicus, noch dem Komponisten, sondern ausschließlich dem Dirigenten Furtwängler. Und das mit gutem Grund. Denn Interpretationsforschung ist ein neues Feld ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Alle Jahre wieder, am 7. Dezember, dem Tag des Mailänder Stadtheiligen Ambrosius, wird die Saison des Teatro alla Scala feierlich eröffnet. Die «Inaugurazione» ist – auch wenn der Saisonbeginn in den letzten Jahren durch Aufführungen im Herbst, die noch der jeweils vorangegangenen Spielzeit zugeordnet werden, etwas verwischt wird – ein gesellschaftliches Ereignis...
Dass Großbritannien ein Paradies für Exzentriker jedweder Couleur sei, ist keineswegs bloß ein wohlfeiles Klischee. Wohl in keinem zweiten Land der Alten Welt werden private Marotten, bizarre Gebräuche und Umständlichkeiten im öffentlichen Leben mit einer so weitherzigen, selbstverständlichen Toleranz bedacht (und zum Gegenstand eines erfrischend selbstironischen...
Grabbes Farce von Scherz, Satire und Ironie ist, wie der Hinweis auf die «tiefere Bedeutung» andeutet, eine ernste Angelegenheit. Es ging in diesem Vormärz-Produkt des schwerblütigen ostwestfälischen Sturmgenies und Kampftrinkers um Kritik am deutschen Idealismus und dessen Menschenbild, um die Ironisierung Goethes und des Bildungssystems von anno 1830.
Das eiserne...