Ver(gr)eiste Welt
Humperdincks «Königskinder» sind ein Kunstmärchen mit tragischem Ausgang und so gar nicht kindgerecht, doch im ersten Akt erzählt Andreas Homoki an der Bayerischen Staatsoper naiv und raffiniert ein «fairy tale»: Die Einheitsbühne zeigt einen von Kinderhand gezeichneten riesigen Wald, der Kopf steht. In der Mitte ein perlmuttweißer Schrank wie zu Großmutters Zeiten. Er ist multifunktionaler Ort. Die Hexe, eine herrlich empörte Gouvernante (Dagmar Pecková), haust dort, aber auch die Gänsemagd, die bei ihr lebt, wird hier eingesperrt – oder kann sich verstecken.
Wenn der Königssohn erscheint, flüchten sich Magd (Annette Dasch mit üppigem lyrischen Sopran im kleinen Grünen) und Prinz (ein Kindskopf in Latzhose und sein männliches Timbre geschickt für einen Jüngling nutzend: Robert Gambill) zum ersten Kuss auf das Möbel.
Später, im zweiten Akt – und da darf man nicht nach Logik fragen – zieht die Gänsemagd als vermeintliche Königin nicht durchs Stadttor ein, sondern purzelt wieder aus dem Schrank. Auch der Wald ist derselbe wie im ersten Akt. Die Choristen und Statisten der Stadt jedoch sind Karikaturen ihrer selbst und in die grellsten Kostüme gesteckt, farblich in allen Valeurs ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Eine Oper mit einer von Liebe und Intrigen bestimmten, schlüssig und mit einem Schuss Kolportage ausgebreiteten Handlung, dazu von einer blühenden Melodik, die ins Ohr geht und Verdis knapp zwei Jahrzehnte früherem «Nabucco» in nichts nachsteht. Merkwürdig, dass sich Ferenc Enkels «Bánk Bán», in Ungarn geradezu kultisch als Nationaloper verehrt, im angrenzenden...
Seit 1991 stemmt sich Walter Kobéra nun schon gegen das Verdikt, dass neues Musiktheater in Wien allenfalls als Festivalgabe ans Publikum zu bringen sei. Und das mit trotzigem Erfolg. Jährlich vier Premieren bietet seine durch städtische und Bundesmittel mit rund sechshunderttausend Euro unterstützte Neue Oper. Dass man sich ausschließlich um Werke der klassischen...
Mit einem beispiellosen Premieren-Marathon wurde die in den letzten Kriegstagen zerstörte Wiener Staatsoper am Ring vor einem halben Jahrhundert wiedereröffnet: Sieben Neuproduktionen in vier Wochen müssen das Ensemble und die Kollektive bis an den Rand der Leistungsfähigkeit gefordert haben. Doch von Erschöpfung keine Spur. Ein Funke der Begeisterung scheint alle...