Stummes Los, laute Aktion
Die Stumme hat viel zu sagen. Schon vom ersten Moment an, da sie – noch während Publikum in den Saal strömt – im bis vor den Orchestergraben reichenden Wohnambiete (Bühnenbild: Utz) einfach nur dasteht wie eine jener menschlichen Statuen, die in den Fußgängerzonen für ein Bakschisch Stille halten. Vor ein paar Jahren in Cardiff war Linda Kitchen eine bezaubernde Gretel in Richard Jones’ skurriler Exegese von Humperdincks Märchenoper.
In Jones’ szenischer Uraufführung von Gerald Barrys Fassbinder-Oper «The Bitter Tears of Petra von Kant» an der English National Opera gibt sie nun keinen Laut und lässt uns dennoch den Atem anhalten.
Sie ist Marlene, Petras Sekretärin, das arme Tier, das später die geliebte Herrin ständig umstreicht, Drinks apportiert, Korrespondenz tippt, Petras Liebe zu Karen mit schmalen Augen beobachtet. Dabei wirkt sie wohl aggressiver als die sanft vor sich hin leidende Irm Hermann in Fassbinders Film, aber keineswegs weniger verletzlich. Am Schluss dann, als die von Karen gedemütigte Petra sie endlich wahrzunehmen scheint und auffordert, doch von sich selbst zu erzählen, stürzt sie zu gewaltsamen Orchesterakkorden davon, mit aufgerissenem Mund, immer noch ...
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In Zeitlupe öffnet sich der Vorhang und gibt minutenlang den Blick frei auf ein eigentlich hinter der Szene spielendes Geschehen, hier erstarrt zum Chor-Tableau: Grell herausgeputzte Frauen und Männern im schlecht sitzenden Siebziger-Jahre-Outfit. Zwei Figuren schälen sich heraus: Matrone Mamma Lucia (mit enormem Mut zur Hässlichkeit: Snejinka Avramova) und die...
An der Mercedesstraße von Cannstatt nach Untertürkheim liegt die Stuttgarter Schleyerhalle, in der Reitturniere stattfinden, Holiday on Ice versprochen wird und in der Bon Jovi oder Udo Jürgens auftreten. Rund achttausend Zuschauer begehrten an einem goldenen Oktoberabend Einlass, um eine Legende zu besichtigen: Luciano Pavarotti, der wenige Tage zuvor siebzig...
Dresden, 12. Oktober 1975: Die Wagner-Fans sind aus dem Häuschen, und die Kritik überschlägt sich in Lobeshymnen. Zu feiern: die Wiedergeburt des längst ausgestorben geglaubten Heldentenors alten Schlages. «Eine regelrechte Entdeckung, die Folgen zeigen wird», heißt es damals im Feuilleton einer DDR-Sonntagszeitung über das «Tristan»-Debüt des bulgarischen Sängers...