Die kahle Königin
Zwei Königinnen. Durch beider Adern fließt, wiewohl in unterschiedlicher Konsistenz, kobaltblaues Tudor-Blut, mithin der uneingeschränkte Wille zur Macht. Viel mehr als diese Neigung aber verbindet die Frauen nicht. Weder der Glaube (sei es der an Gott, den Allmächtigen, ans Leben selbst oder an die Liebe) noch die Weltanschauung. Maria Stuart, Schottlands katholische Throninha -berin, und Elisabeth I., Englands protestantische Herrscherin (der jedoch, als Tochter Heinrich VIII.
und Anne Boleyns, der Makel anhaftet, ein «Bastard» zu sein), haben nur eine einzige Gemeinsamkeit: abgrundtiefe Verachtung füreinander. Da ist nur ein wesentlicher Punkt, der ihre Beziehung ins Ungleichgewicht bringt: Die eine ist die Gefangene der anderen. Seit 18 Jahren vegetiert Maria Stuart auf Schloss Fotheringhay in einem schäbig-dunklen Kerker, während ihre Kontrahentin im fernen Westminster Palace mit eiserneisiger Hand regiert. Glücklich ist darüber allerdings keine von ihnen. Maria Stuart, die Wild-Widerspenstige, dreimal Verwitwete, weil sie nichts mehr liebt als die Freiheit; Elisabeth I., die Kühl-Distanzierte, lebenslang Unvermählte, weil sie Angst vor der anderen hat, und weil sie nicht ...
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Opernwelt Mai 2025
Rubrik: Im Focus, Seite 32
von Jürgen Otten
Wer schön sein will, sagt der Volksmund, muss leiden. Und wer wüsste das besser als Clorinda und Tisbe, die beiden «rechtmäßigen» Töchter Don Magnificos. Die Ouvertüre zu Rossinis Dramma giocoso zeigt sie bei morgendlichen Gymnastik-Übungen; angeleitet werden die beiden schläfrigen Damen von einem Tanzquartett, das in knappen weißen Trikots überaus gelenkig und mit...
Das ganze Leben in nur 90 Minuten? Für Jürg Laederach, den ingeniös-versponnenen Schweizer Schriftsteller, war dies kein Problem. Man musste nur die Zeit richtig einteilen und Worte finden, mit denen sich die Existenz (und deren Brüchigkeit) auch in gedankenscharfen Miniaturen beschreiben ließe. Nachgerade in Vollendung gelang dies dem 2018 verstorbenen...
Ausnahmetalent
Die Poesie ist schon ihrem Vornamen eingeschrieben: Mondblume. Und als solche blüht Aigul Akhmetshina nun schon seit einigen Jahren mächtig auf. Ihre Elisabetta in Donizettis «Maria Stuarda» war eine Sensation, ebenso ihre Carmen. Und auch in der Partie der Adalgisa zeigt die Mezzosopranistin, wieviel Potenzial in ihrer warmen Stimme steckt. Ein...