Stückwerk, ungezuckert

Die ersten Tiroler Festspiele unter der Leitung von Jonas Kaufmann präsentieren in Erl eine szenisch wie musikalisch durchwachsene «La Bohème» und eine immerhin vokal vielversprechende konzertante Aufführung von «I puritani»

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Ein ganzes Opernhaus zu schultern, das wäre dann wohl der nächste Schritt. Vielleicht, wenn der Kehlkopf nicht mehr richtig will. Oder der Startenor keine Lust auf das hat, was sich im Karriereherbst alles anbietet – Herodes, Aegisth, der Kaiser in «Turandot», irgendetwas in der Art. «Ein kleines Hineinschnuppern in das Genre», nannte Jonas Kaufmann sein zweites Standbein im persönlichen Gespräch. Ein paar Monate vor dem Beginn der Amtszeit war das. «Und wenn mich das sehr packt, wie ich fürchte», fügte er hinzu, «werde ich es vielleicht noch länger machen».

Jetzt sitzt er als Intendant im Festspielhaus Erl, mittleres Parkett, unmittelbar hinter dem milliardenschweren Mäzen und früheren Strabag-Chef Hans Peter Haselsteiner. Und bleibt auch dort, also fast unsichtbar, abgesehen von vernehmlichen Schwätzchen mit dem Geldgeber. Kein kurzer Ausflug an die Rampe, keine Begrüßung, keine nachträglichen Weihnachtswünsche. Wie seltsam: Die ersten Tiroler Festspiele unter Kaufmanns Ägide starten ohne verbales Vorspiel, sondern gleich mit vier angriffslustigen Unisono-Noten von Fagott, Celli und Kontrabässen – dem Beginn von «La Bohème».

Das Haus ist ausverkauft, so hatte es sich ...

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Opernwelt Februar 2025
Rubrik: Im Focus, Seite 18
von Markus Thiel

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