Sternstunde
Der Sturm tobt nur außen. Was gut ist. Man möchte ihn wirklich nicht erleben. Dazu lässt es das Philharmonische Orchester Ulm ordentlich krachen, blitzen und donnern. Es ist ein kosmischer, apokalyptischer Orkan, der alles und jeden wegfegt. Die Menschen haben sich in eine Schutzzone zurückgezogen, einen von Neonlicht erleuchteten Betonraum zwischen Bunker-Anmutung und Kuppelkirche. In diesem Interieur überlebt die Menschheit irgendwie und wartet auf ihren neuen Hoffnungsträger.
Otello tritt dann auch mit einem strahlenden «Esultate» auf und schwingt sich gleich am Anfang mühelos zum kräftezehrenden hohen H hinauf. Rodrigo Porras Garulo ist eine Idealbesetzung: baritonal gestützt in der unteren Lage und mit heldenhafter, blitzsauberer Höhe gesegnet, dazu in der Darstellung mit psychologischer Tiefe – ein Bild von einem Mann und ein Tenor, der weiß, was er singt.
Der Mensch wird in diesem Ambiente auf seine innere Natur zurückgeworfen. Die nutzt der in der Rangfolge übergangene Jago. Das ist kein Schurke, sondern ein mit einem Borsalino-Hut ausgestatteter Intellektueller. Kein Bösewicht, kein kleinlicher Neidhammel, sondern die amoralische Elementarkraft, die stets das Böse will ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Opernwelt Februar 2025
Rubrik: Panorama, Seite 39
von Bernd Künzig
Ein von dem Dirigenten Jérôme Correas so kundig konzipiertes wie musiziertes Programm mit vier Solo-Kammerkantaten von Alessandro Scarlatti, Händel, Marcello und Michel Pignolet de Montéclair lenkt den Blick auf die intime Spielart barocker Leidenschaften jenseits der rationalen Kontrolle am Ausgang des 17. Jahrhunderts. Im Zentrum steht jedesmal das Trauma der...
In Zürich, so befand seinerzeit ein in der Limmatstadt umtriebiger Intendant, stehe die am nördlichsten gelegene Oper südlicher Ausrichtung. Ganz falsch war die als Selbstrechtfertigung gedachte Feststellung nicht – in gewisser Weise gilt sie auch heute noch. Nicht ohne Stolz verweist Andreas Homoki auf den Umstand, dass in den zwölf Jahren seiner Intendanz 16...
Kafkas Roman «Der Prozess» beginnt mit dem legendären Satz «Jemand musste Josef K. verleumdet haben». Längst zählt diese lapidare Mitteilung zu den ikonischen Romananfängen der Weltliteratur, kündigt sich doch darin ein Lebensgefühl an, das man heute etwas inflationär als «kafkaesk» bezeichnet. Josef K. wird also eines Morgens ohne Angabe von Gründen verhaftet wird...