Doppelbödig
Dass die vom Genre der Opéra-bouffe vorgesehene Rettung des Paares aus aussichtsloser Einkerkerung gelingt, liegt an einem alten Gefangenen, der sich seit zwölf Jahren mit einem Messerchen einen Tunnel in die Freiheit gräbt: Im genau richtigen Moment hat er sich nun in die Zelle der Périchole und ihres Piquillo durchgewühlt. Es fehlten, sagt er, bloß noch zwölf weitere Jahre Grabung bis nach draußen.
Worauf warten wir, wir sollten keinen Moment verlieren, sagt er, aber dann findet die mit allen Wassern des Überlebenstrainings auf der Straße gewaschene Straßensängerin Périchole eine schnellere List und wickelt den vor Begehren blinden Vizekönig einmal mehr um den Finger. Als er nach dem Vortrag eines Lieds über die clemenza des hier eher kindsköpfigen denn ernsthaft gemeinten Potentaten Augustus (dem Lionel Lhote sängerische Würde verleiht), die Liebenden begnadigt, muss der alte Gefangene allein zurück ins Loch, nur weil ihm das Vergehen nicht mehr einfällt, dessentwegen er einst eingesperrt wurde. Anzunehmenderweise gab es gar keines.
Das gibt einen kleinen Lacher her vor dem finalen, allgemeinen Can-Can-Getümmel inklusive Einladung zum Mitklatschen. Es wirft aber auch einen ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Opernwelt Februar 2025
Rubrik: Panorama, Seite 40
von Holger Noltze
Georg Friedrich Wilhelm Hegel war ein unverbesserlicher Optimist, sah er doch in der Entwicklung der Geschichte eine Entwicklung hin zu Freiheit und Vernunft. Allein ein flüchtiger Blick ins Heute hätte ihn vermutlich eines Besseren belehrt: Mag sich die Menschheit auf dem technologischen Vormarsch befinden (wiewohl in eine mehr als ungewisse Zukunft), so steht es...
Der Sturm tobt nur außen. Was gut ist. Man möchte ihn wirklich nicht erleben. Dazu lässt es das Philharmonische Orchester Ulm ordentlich krachen, blitzen und donnern. Es ist ein kosmischer, apokalyptischer Orkan, der alles und jeden wegfegt. Die Menschen haben sich in eine Schutzzone zurückgezogen, einen von Neonlicht erleuchteten Betonraum zwischen Bunker-Anmutung...
Man schreibt den August 1756, da steht Marianne Pirker als Mandane in Niccolò Jommellis «Artaserse» noch auf der Bühne der Stuttgarter Hofoper. Zwei Wochen später wird sie zusammen mit ihrem Mann, dem Geiger Franz Pirker, verhaftet und – der Willkür des württembergischen Herzogs Carl Eugen ausgeliefert – acht Jahre lang eingesperrt, zunächst auf dem Hohentwiel,...