Ecce Homo
Eine Menschenmenge. Immer mehr kommen aus den Seitengassen, junge Paare, Alte, Kinder, es hört einfach nicht auf. Normalerweise, oft im «Ring» ist das so, starren sie jetzt ins Publikum mit der stummen Frage: «Und ihr?» Doch wir sind nicht am Ende der «Götterdämmerung», sondern beim letzten Orchesteraufbauschen im «Rheingold». Und geschaut wird nach hinten, auf einen gotischen Hochaltar, in dem Wotan samt Sippe Platz genommen hat. Mit Helm, Speer und bauschendem Brokat, so wie es sich für orthodoxe Wagnerianer gehört.
Germanische Götter formieren sich zur christlichen Ikonostase – was für ein Bild!
Im Staunen darüber kommt man aus dem Denken nicht mehr heraus. Oft ist das so in dieser Premiere an der Bayerischen Staatsoper, wo Tobias Kratzer seinen heiß erwarteten «Ring» beginnt. Und dabei oft in wenigen Minuten, in wenigen Takten eine Fülle an Deutungsmöglichkeiten offeriert. Man kann sich fesseln lassen vom Witz, vom Augenzwinkern, von den Theatertricks der ersten Ebene. Und nimmt doch unerhört viel mit, wenn man Kratzers Tiefenbohrungen Millimeter für Millimeter folgt.
Gemeinsam mit Ausstatter Rainer Sellmaier entrollt Kratzer eine Multi-Ästhetik. Fantasy und Realität, ...
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Opernwelt Dezember 2024
Rubrik: Im Focus, Seite 10
von Markus Thiel
Mit einer einzigen Geste ist Caroline Unger, die 1824 bei der Uraufführung von Beethovens Neunter die Alt-Partie sang, in die Musikgeschichte eingegangen. Sie soll den ertaubten Komponisten zum Publikum umgedreht haben, damit er den Beifall, wenn schon nicht hören, so doch wenigstens sehen konnte. Bereits 1821 hatte Unger in Wien in Rossinis «La gazza ladra»...
Im Plenarsaal des Deutschen Bundestages werden 16 Nonnen hingerichtet. Eine nach der anderen sinken sie zu Boden, darüber schwebt drohend der Bundesadler. Ein Ort, der vielen als Symbol der Rechtsstaatlichkeit gilt, wird zum Schauplatz des Terrors. Die ungeheuerliche Szene bringt die Befürchtungen auf den Punkt, die Regisseur Paul Georg-Dittrich und sein Team für...
Regisseur Ralf Westhoff gab seinen Paaren seinerzeit fünf Minuten. Zum Befragen und Beschnuppern zwecks möglichem Funkenflug. Schließlich das Signal – und der Mann sitzt vor einer neuen Frau. «Shoppen», hieß der Film, und nicht viel anders funktioniert das, was Jonas Kaufmann nun auf Silberscheibe brennen ließ. Ein Speed-Dating in Sachen Puccini. «Love Affairs» ist...