Nürnberg alaaf!
Endlich bekommt man die Beckmesser-Harfe einmal zu Gesicht! Dieses wie auf dürren Vogelbeinen stehende Zwerginstrument, das Richard Wagner erfand (oder erfinden ließ), um den gewünschten Fake-Klang für die Laute des Merkers zu erreichen: ein wenig kläglich, aber doch so, dass die Töne gut zu hören sind in einem großen Opernhaus. In Bonn bringt Beckmesser die Harfe gleich mit zum Ständchen samt Harfenistin in Röckchen und Schleifchen. Mit säuerlicher Miene erledigt sie den Job, rächt sich aber geschäftstüchtig.
Ein ums andere Mal hält sie die Hand auf, die emotionale Notlage des Merkers gnadenlos ausnutzend, und setzt das Spiel nicht eher fort, bis sie wieder einige Scheinchen reicher ist.
Beckmesser, im eleganten, für die späte Uhrzeit schön unpassenden morning coat, muss abdrücken und sieht sich nun den ausufernden Präludien der Künstlerin ausgesetzt. Zwei Lehrbuben – der eine hat den Kopf meist hinter einem Reclam-Heft, der andere zwischen Kopfhörern – gehen Beckmesser wie der mürrischen Harfenistin ordentlich auf den Nerv. Wie die Gehilfen des Landvermessers in Kafkas «Schloss»-Roman kommen sie gleichsam zum Fenster wieder herein, wenn sie durch die Türe hinauskomplimentiert ...
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Opernwelt November 2024
Rubrik: Im Focus, Seite 12
von Clemens Haustein
Am Anfang war das Nichts (das aber, wie Hegel zu Recht anmerkte, nicht das reine Nichts ist, sondern ein Nichts, von dem etwas ausgehen soll), die klaffende Leere als denkbar kleinste Existenz. Wie es darin aussah, wissen wir nicht. Aber ein wenig, was sich danach ereignete: ein lauter Knall, 13,8 Milliarden Jahre vor unserer Zeit, oder, je nach Blickwinkel, die...
Historiker sprechen, wenn sie die politische Geschichte Spaniens etwa zwischen 1550 und 1650 in Augenschein nehmen, meist vom Siglo de Oro, vom Goldenen Zeitalter. Und nicht nur ist damit der Machteinfluss des einst ruhmreichen (und ausdehnungsfreudigen) Landes bezeichnet, sondern vor allem eine Zeit kultureller Blüte. Wenn Saioa Hernández ihr neues Album mit Arien...
Bilde Künstler, rede nicht», das war eine Formel, die dem Bildungsbürger behagte: Das Genie solle gefälligst «bleibende» Werte und Werke schaffen, Manifestationen nach Art des Beethovenschen «Titanismus» oder Bruckner’scher «Kathedralen». Dabei führt Goethes Satz ins genaue Gegenteil weiter: «Nur ein Hauch sei Dein Gedicht» – Aura statt Marmor. Nun ist Musik ein...