Herztiere
Das Aristokratische seines Vorgängers fehlt ihm. Alessandro De Marchi eilte stets beflissen zum Pult, nach langer Editorenarbeit, die er mutmaßlich bei einigen Gläsern Acqua naturale vornahm. Ein Dirigent, der nach dem Tod von Alan Curtis die Nische des sorgsamen, widerhakenarmen Barock-Maestros allein besetzte. Ottavio Dantone, neuer Musikchef bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik, ist mehr der Typ cooler (Barock-)Bandleader.
Im Graben des Tiroler Landestheaters sitzt er, wie De Marchi, selbst am Cembalo, lässt aber seine Accademia Bizantina offensiver spielen. Historisch informiert natürlich. Wichtiger ist anderes: das Musikantische, das kollegiale Miteinander.
Bei seinem Start hat sich Dantone als Ausgräber betätigt. Geminiano Giacomellis «Cesare in Egitto», uraufgeführt 1735 in Venedig, ist schnell durchs Raster gerutscht. Auch weil eine Dekade zuvor Händels gleichnamiger Hit auf ein fast baugleiches Libretto entstanden war. Die Serenissima muss damals über sensationelle Vokalakrobaten verfügt haben. Fast in jeder Arie wird das Gesangspersonal durch einen eng gesteckten Slalom geschickt. Es gibt oszillierende Tongirlanden und Phrasen, die eine Atemtechnik nahe der ...
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Opernwelt November 2024
Rubrik: Im Focus, Seite 28
von Markus Thiel und Jürgen Otten
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