Tyrann mit Schwein
Wie verführbar ist ein Volk? Eine brisante, eine hochpolitische Frage – zu allen Zeiten und gerade auch in unserer unmittelbaren Gegenwart. Frank Hilbrich versucht, sie in seiner «Lohengrin»-Inszenierung zu beantworten. Und so liest sich seine Geschichte: Brabant – der Name ist austauschbar – steht politisch und gesellschaftlich am Abgrund. Das zeigt sich am Prozess gegen Elsa, Tochter des verstor -benen Herzogs, die ihren Bruder Gottfried, den Thronfolger, ermordet haben soll. Das Gericht erstickt in Akten, man weiß sich keinen anderen Ausweg als ein ominöses Gottesgericht.
Da erscheint ein Fremder, eine Art vagabundierender Naivling mit merkwürdig legeren Umgangsformen, und ergreift die Gelegenheit, sich zum Retter Elsas und auch des Volkes zu stilisieren. Willig und ohne sein Wesen und seine Herkunft zu hinterfragen, folgt man ihm, selbst als er seinen Untergebenen die Daumenschrauben anlegt und allmählich zum demagogischen Tyrannen wird. Erst als Elsa das tut, was ihr und dem Volk von diesem merkwürdigen, selbsternannten Herrscher verboten wurde, als sie ihm nämlich die selbstverständliche Frage stellt, wer er denn eigentlich sei, bricht das Konstrukt zusammen. Brabant – der ...
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Opernwelt November 2024
Rubrik: Panorama, Seite 49
von Gerhart Asche
Vor der Koksofenbatterie auf Zeche Zollverein in Essen steht ein Schwimmbecken. Einheimische genießen, unter rostigen Streben plantschend, die heiße Augustsonne. Wenige Meter weiter ein völlig anderes nasses Sujet: In der Mischanlage stecken fast nackte Menschen knöcheltief in aufgetautem Eis. Ein Chor singt Björk. «Longing for tomorrow» ist das Motto der...
Alexander Zemlinskys «Florentinische Tragödie» ist ein Werk von klaustrophobischer Dramatik: ein einziger Raum, darin drei Personen, die eine klassische Dreiecksgeschichte verhandeln. Zu einem Paar, das die gegenseitige Aufmerksamkeit für einander verlernt hat (oder sie noch nie besaß), gesellt sich ein junger Adeliger, der mit der Dame des Hauses nicht allzu...
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