Rote Suppe
Zum sanguinischen Spectaculum lässt Calixto Bieito den Gott des Weines höchstpersönlich auftreten: Als adipöser Senior testet Bacchus den roten Rebensaft; Dionysos, sein griechischer Kollege und Hohepriester des Rausches, assistiert ihm. Gemeinsam befinden sie für gut, was der Chor da in neun riesigen Holzbottichen an Trauben eingestampft hatte. Nun hat die wilde Weinschlacht ihren Segen von oben. Das Suhlen in roter Suppe nimmt seinen Lauf der kollektiven Entgrenzung. Seinem Ruf als Regisseur der körperlichen Extremdarstellungen wird Bieito einmal mehr gerecht.
Ein echter Aufreger, geschweige denn ein Skandal ist der Abend aber mitnichten. Denn eigentlich bleibt der Katalane in seiner Inszenierung der «Carmina Burana» durchweg nah am deftigen Text. Wenn vom unmäßigen Trinken die Rede ist, führt er den Abt im Fatsuit als sich übergebenden Saufbruder vor – Bariton Cody Quattlebaum mimt ihn mit der totalen Bereitschaft zur hemmungslosen Darstellung. Wenn vom Fressen berichtet wird, delektiert sich der Chor am knusprig gebratenen Schwan – der geschmeidig intonierende Countertenor Jake Arditti gibt ihn mit herrlicher Lust an der Karikatur. Und wenn die Liebeslust gefeiert wird, ist ...
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Opernwelt November 2024
Rubrik: Panorama, Seite 53
von Peter Krause
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Am Anfang war das Nichts (das aber, wie Hegel zu Recht anmerkte, nicht das reine Nichts ist, sondern ein Nichts, von dem etwas ausgehen soll), die klaffende Leere als denkbar kleinste Existenz. Wie es darin aussah, wissen wir nicht. Aber ein wenig, was sich danach ereignete: ein lauter Knall, 13,8 Milliarden Jahre vor unserer Zeit, oder, je nach Blickwinkel, die...