«Wenn ihre Stimmen verhallen, gehen wir zugrunde»

Einige Anmerkungen zur wechselhaften Rezeptionsgeschichte von Jacques Fromental Halévys «La Juive» und Mieczysław Weinbergs «Die Passagierin»

Opernwelt - Logo

Es sind zwei Bühnenwerke jüdischer Komponisten, die in jüngerer Zeit auf die Spielpläne der Opernhäuser (zurück-)drängen: Fromental Halévys «La Juive» aus dem Jahr 1835 und die 1968 vollendete «Passashirka» («Die Passagierin») von Mieczysław Weinberg. Beide Werke stellen Auseinandersetzungen mit christlichem Antijudaismus und rassistischem Antisemitismus und dem Eskalationspotenzial dieser Ideologien dar. Beide verbindet und trennt der größte Zivilisationsbruch der Menschheitsgeschichte: die Auslöschung von über 6 Millionen europäischen Jüdinnen und Juden in der Shoah.

Halévys gemeinsam mit dem Dramatiker Eugène Scribe verfasste Grand Opéra spielt zur Zeit des Konstanzer Konzils (1414–1418). Es war einberufen worden, um die auseinanderbrechende Einheit der Kirche zu wahren. Doch die Verbrennung des Reformators Jan Hus provozierte erbitterte, in mehreren Kreuzzügen niedergeschlagene Aufstände. Die Oper zeigt die Auswirkungen dieser Ereignisse auf die Minderheit der jüdischen Bevölkerung. Eine von der ersten Szene an brodelnde antijüdische Pogromstimmung entlädt sich in der finalen Hinrichtung der Titelheldin Rachel und ihres jüdischen Ziehvaters Éléazar.

Weinbergs «Passagierin» ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt Jahrbuch 2024
Rubrik: Antisemitismus und Oper, Seite 88
von Sergio Morabito

Weitere Beiträge
Singe mir ein neues Lied, die Welt ist verklärt

Herr Lang, «Who the fuck is Dora?», lautete der Slogan in ganz Stuttgart. Wie ist es zu «Dora» und der Zusammenarbeit mit Frank Witzel gekommen?
Ich kannte Frank Witzel vorher nicht, er wurde mir von der Staatsoper Stuttgart als Librettist vorgeschlagen. Es gab also zuerst einmal eine Zeit des Kennenlernens und dann des Nachdenkens. Vor allem las ich mich einmal...

Umfrage Opernwelt 2024

Silvia Adler
DARMSTADT

Opernwelt
1. Die Oper Frankfurt
2. Catherina Forster als Walküre in Athen; Alyona Rostovskaya in Wiesbaden. Ihr lyrischer Sopran besitzt eine phänomenale Ausdruckskraft 
3. Victoria Stevens rückt bei Verdis «Otello» in Mainz das Thema Femizid in den Fokus: ein starker, erschütternder Opernabend 
4. Michael Nündel für seine außerordentliche...

Ausgehaltenes Zögern an der Schwelle zwischen Klang und Sinn

Was Musik ist? Gute Frage. Nicht wenige Philosophen und Komponisten haben sie sich gestellt. Gabriel Fauré etwa tat dies, während er am zweiten Satz seines Quintetts feilte und nach jenem «unersetzbaren Punkt», nach der höchst unwirklichen Schimäre, suchte, die uns «über das, was ist» erhebt. Vladimir Jankélévitch nahm Faurés Introspektion zum Anlass, sich einmal...