Unter dem Vulkan
Eine «Extravaganza musicale in technicolor» kündigt das bühnenhohe Filmplakat an, das einen muskelbepackten Helden mit Schnauzbart in einem antikisierenden Floß auf wildtosendem Meer zeigt. Ein Zufall ist es nicht: Der Film, der hier in den nächsten dreieinhalb Stunden entstehen wird, ist eigentlich eine Oper – Nicola Antonio Porporas «Polifemo» von 1735.
Das Libretto von Paolo Antonio Rolli überblendet in einer bei der Opera seria nicht immer erwartbaren dramaturgischen Schlüssigkeit zwei Mythenkreise rund um den einäugigen Riesen, einerseits seine vergebliche Liebe zur Nymphe Galatea, die ihm den Hirten Aci vorzieht, andererseits die Blendung durch Odysseus, der damit sich und mindestens einen Teil seiner Gefährten vor dem Verzehr durch den Zyklopen rettet. Geschichten sind das, denen sich, wie Bruno Ravella bei seiner Inszenierung für die Opéra national du Rhin aufgefallen ist, mit Vorliebe auch der italienische Sandalenfilm der 1950er- und 1960er-Jahre widmete, auf den hier nicht nur das namengebende Schuhwerk verweist, sondern auch die mint -grüne, violette und gelbe Farbästhetik der Oberbekleidung.
Dabei verkoppelt Ravella zwei Ebenen miteinander: diejenige der Filmbilder ...
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Opernwelt April 2024
Rubrik: Im Focus, Seite 24
von Michael Stallknecht
Clair-Obscur», so war jene 2021 erschienene CD betitelt, auf der Sandrine Piau die zwischen Licht und Schatten changierende spätromantische Liedkunst von Richard Strauss, Alexander von Zemlinsky und Alban Berg erkundete. Jetzt widmet sie sich, unter dem Stichwort «Reflet», den Widerspiegelungen von Poesie und Gesang in der französischen Musik des 19. Jahrhunderts....
Samuel Becketts Theaterfiguren unterscheiden sich in einem wesentlichen Punkt von all jenen verlorenen Seelen, die durch die Stücke anderer Autoren der (existenzialistischen) Melancholie stolpern: Sie haben ihr Scheitern bereits hinter sich, schon vor dem ersten Satz gibt es keinen Funken Hoffnung mehr, und nur noch um eines geht es: um die Frage, wie man mit dem...
Noch in den 1960er-Jahren kam man nicht an dem Namen Paul Abraham vorbei. In den Radiosendern waren brav arrangierte Medleys seiner Operetten omnipräsent; vor allem «Viktoria und ihr Husar» und «Die Blume von Hawaii» standen hoch im Kurs. Da quietschten sich Herta Staal und Harry Friedauer mit «Mausi, süß warst du heute Nacht» durch die Röhre, und Heinz Maria Lins...