Ich hab' im Traum geweinet
Die Tonart verheißt wenig Gutes. G-Moll, das kündet (im wahrsten Sinne des Wortes) von Trübsal und Tristesse. Und so verzagt, wie Malcolm Martineau die Melodietöne des viertaktigen Vorspiels auf die Tasten tupft, gewinnt man schon einen nachhaltigen Eindruck von dem, was der Dichter wenig später beklagen wird: «Hör’ ich ein Liedchen klingen, / das einst die Liebste sang, so will mir die Brust zerspringen / von wildem Schmerzensdrang.
» Aus und vorbei ist es mit jeder Hoffnung, die Auserwählte würde sich vielleicht doch noch besinnen und die Anbetungen erhören; dem Verseschmied jedoch bleibt nichts als ein «übergroßes Weh’».
Florian Boesch formt diese Verse mit einer wohltuenden Behutsamkeit, die mehr als deutlich macht, wie tief dieser Schmerz sitzt, wie ermattet die Seele seines Alter Egos ist, wie resigniert der ganze Mensch, der hier auf die imaginäre Bühne tritt. Aber nicht erst in diesem zehnten Lied der «Dichterliebe», welches den Moment der unwiderruflichen Peripetie beschreibt und mit den erst piano, dann pianissimo zu Boden tropfenden Tränen des Klavier-Nachspiels den Umschlag in die Katastrophe nochmals unterstreicht und beglaubigt, spürt man die tiefliegende Traurigkeit; ...
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Opernwelt April 2024
Rubrik: CDs, DVDs und Bücher, Seite 36
von Jan Verheyen
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