Reich mir die Hand, mein Leben

Drei Lesarten von Mozarts «Don Giovanni»: kapitalismuskritisch in Leipzig, leicht abgehoben in Sondershausen, virtuos konzipiert in Radebeul

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In unserer übermäßig zartfühlenden, empörungsbereiten, mancher würde sagen: hypermoralistischen Gegenwart, in Zeiten von #MeToo und übertriebener Political Correctness hätte er keinen leichten Stand. Wäre Don Giovanni eine real existierende Person, mit strafrechtlicher Verantwortlichkeit – gut wäre es um ihn nicht bestellt. Nun handelt es sich bei Mozarts und Da Pontes Wüstling aber gottlob um keinen Teilhaber einer prosaischen Wirklichkeit, sondern um eine ungebrochen faszinierende, vielschichtige, mehrfach transformierte Kunstfigur.

Und diese mit Gewinn für die Gegenwart zu durchleuchten hat, wieder einmal, Hochkonjunktur. Gleich drei neue Produktionen, an der Oper Leipzig, den Landesbühnen Sachsen und am Theater Nordhausen-Sondershausen finden sehr heutige und doch grundverschiedene Zugänge zum sinnlich-genialen Verführer.

Regisseurin Katharina Thoma schließt in Leipzig sexuelle Potenz mit ökonomischem Kapital kurz: Giovanni als Hausbesitzer, praktischerweise mit Penthouse in der eigenen Immobilie, hat es dadurch nie besonders weit bis zum nächsten Stelldichein. Die Wohnungstüren im mehrstöckigen Mietshaus mit Treppenhaus-Innenhof und klapprigem Innenhof-Fahrstuhl sind allesamt ...

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Opernwelt März 2023
Rubrik: Im Focus, Seite 24
von Werner Kopfmüller

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