Totaltheater
Als 1992 die «Entdeckung» Amerikas durch Columbus 1492 zelebriert wurde, kam Spaniens König Juan Carlos nicht umhin, diese Großtat vollmundig zu preisen: Erst die «hispanidad» habe der «Neuen Welt» mit der spanischen Sprache, dem Katholizismus und der eurozentrischen Kultur, der barocken Architektur wahre Würde verliehen. Doch in Lateinamerika hielt sich die Begeisterung in Grenzen, stattdessen wur-en mit grimmigem Protest die «Segnungen» bestritten: Ausschließlich gemordet, gefoltert, vergewaltigt, zerstört, geplündert, versklavt und ausgebeutet hätten die Conquistadoren.
In der ohnehin finsteren Geschichte des Kolonialismus sei gerade dieses Kapitel eines der grässlichsten. Und noch die jüngeren Konflikte verweisen auf unabgegoltene Leiden. Vor zwanzig Jahren seilten sich in Barcelona an den Türmen von Antoni Gaudís «Sagrada Família»-Kathedrale Aktivisten ab, um auf das Elend der armen Landbevölkerung im mexiaknischen Bundesstaat Chiapas hinzuweisen. Da geht es zwar nicht mehr um den Konflikt zwischen Eroberern und Unterworfenen, sondern um den zwischen dem heutigen mexikanischen Staat und den indigenen Gruppen. Doch die repressiven Muster wirken nach.
«Mexico» war zudem quasi ...
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Opernwelt März 2023
Rubrik: Panorama, Seite 42
von Gerhard R. Koch
Claudio Monteverdis «L’incoronazione di Poppea» ist inzwischen die wohl populärste, meistgespielte Barockoper. Das freche, respektlose Libretto verabschiedet die Sphäre des gestelzten Mythos und landet mit der Sex-and-Crime-Handlung aus dem alten Rom im menschlichen Alltag. Wie das «Dschungelcamp» heute zeigen uns schon Monteverdi und sein Librettist Giovanni...
Das ganze Drama ist im Grunde erzählt, noch bevor viele Worte gefallen sind. Der Schmerz, die Sehnsucht (welche nur diejenigen Menschenkinder wirklich kennen, die wissen, welches Leiden mit ihr einherzugehen vermag), der Dualismus aus Liebestäuschung und -ent täuschung, die tiefsitzende Verzweiflung, das einsickernde Gift der Rache – alles ist bereits im «Prelude»...
Von den komponierenden Söhnen Johann Sebastian Bachs hat es Johann Christoph Friedrich, der zweitjüngste, nur zu bescheidener Anerkennung gebracht. 1750 trat der gerade 17-Jährige als Cembalist und Kammermusiker in den Dienst des im niedersächsischen Bückeburg residierenden Grafen Wilhelm zu Schaumburg-Lippe, wurde dort 1759 Konzertmeister und begnügte sich mit...